Unsere RPTU Story

Geht eine Sozialwissenschaftlerin ins Landwirtschaftsministerium

Ein Must-See, wenn man in Bonn ist: Der Hofgarten mit der Mensa der Universität Bonn im Hintergrund. Nach der Arbeit konnte Lena Frohn sich hier wieder wie eine Studentin fühlen. Foto: privat

Was wie der Anfang eines Witzes klingt, beschreibt das Pflichtpraktikum, das Lena Frohn im Rahmen ihres Studiums an der RPTU absolviert hat. Wobei bereits im Anfang dieses Witzes zwei Ungenauigkeiten auffallen; erstens ist ihr Bachelorstudium der Sozial- und Kommunikationswissenschaften noch nicht abgeschlossen. Zweitens lautet die korrekte Bezeichnung ihrer sechswöchigen Arbeitsstelle „Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung“, kurz BMEL. Doch die wenigsten der Themen dort kann man wie die Erzählung eines Witzes beginnen, wie sie in unserer Studi-Kolumne schreibt.

„Und was für einen Doktor machen Sie?“ wurde ich an einem meiner ersten Praktikumstage während des Mittagessens in der Kantine gefragt. Tja. Was antwortet man da, wenn man im glorreichen siebten Semester eines Bachelorstudiums ist, das noch dazu nicht einmal im Entferntesten etwas mit der Fachrichtung irgendeines am Tisch anwesenden Menschen zu tun hat? Am besten mit der Wahrheit; „Ich studiere Sozial- und Kommunikationswissenschaften“. An die auf diese Aussage folgenden skeptischen Blicke und Nachfragen sollte ich mich schnell gewöhnen. Die meisten Menschen, mit denen ich zu tun hatte, hatten mindestens Masterabschlüsse in Agrarwissenschaften, Biologie, Tierwissenschaften oder hatten Jura studiert. Der Begriff „Kommunikationswissenschaften“ hätte für viele wohl ebenso gut einer Fremdsprache entstammen können. Wenn ich in der Folge aber erklärte, dass ich mich insbesondere für politische Kommunikation und Klimaschutz interessiere, senkten die hochgezogenen Augenbrauen sich meist ein wenig. Dabei ist die Arbeit in einem fachfremden Gebiet politisch gar nichts ungewöhnliches; der aktuelle Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ist schließlich ausgebildeter Erzieher und dennoch gehören seine Beliebtheitswerte in der Ampel-Koalition zu den besten.

Das Referat, in dem ich während meines Praktikums arbeitete, ist für Klimaschutz, Klimaanpassung und Wasser zuständig. Zu seinen Aufgaben gehören auch die Vorbereitungen auf die 28. Weltklimakonferenz, welche dieses Jahr vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai stattfanden und gerade zu Ende gegangen ist. Für mich bedeutete das beispielsweise Lebensläufe der Personen zu erstellen, mit denen der Minister auf der COP 28 (Conference of the Parties) voraussichtlich sprechen würde. Wie man sich vielleicht denken kann, war die Liste sehr lang. All diese vielen wichtigen Menschen auf der Konferenz hatten außerdem viele wichtige Termine. In einem „How-to-COP-Workshop“ des Auswärtigen Amts, den ich besuchen durfte, zeigte einer der dortigen deutschen Verhandler seinen Terminplan der Klimakonferenz in Ägypten in 2022; Er kam auf 137 Tagespunkte. Ich habe nicht nachgezählt, wie viele Veranstaltungen ich für die Delegation des BMEL herausgesucht habe, die relevant für sie sein könnten. Wer weiß, vielleicht wäre ich nie mit dem Zählen fertig geworden.

Mein Blick auf die Klimakonferenzen hat sich durch meinen Blick hinter die Kulissen auf jeden Fall verändert. Unbestritten ist, dass aus klimaaktivistischer Perspektive dort viel zu wenig passiert. Aktuell steuern wir laut des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) auf eine Erderwärmung von 4,4 °C im Vergleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu. Der Expertenrat für Klimafragen bescheinigte der Bundesregierung, dass sie auch 2023 ihre Klimaziele verfehlt. Eine Klimakonferenz reiht sich an die nächste und dennoch ist der Ausstieg aus den fossilen Energien, den es so dringend zeitnah braucht, nicht in Sichtweite. Nun könnte man darüber diskutieren, ob das nicht auch damit zu tun hat, dass ein Land wie die Vereinigten Arabischen Emirate, deren Wirtschaft auf dem Export von Öl basiert, die Präsidentschaft für die Konferenz übernimmt. Ich halte das nach wie vor meinem Praktikum für einen sehr berechtigten Punkt. Bei so unterschiedlichen Vorstellungen ist es dennoch bemerkenswert, dass die Parteien weiter miteinander sprechen. Die Verhandlungen dort sind mit Sicherheit kein Zuckerschlecken und dauern teils bis tief in die Nacht. Meiner Erfahrung nach ist es bei weitem nicht so, dass den Menschen, die auf die COP gehen, das Thema egal wäre. Sie machen das ganze eben aber auch schon eine Zeit lang und wissen, wie der Hase läuft. Dass sie die Reise nicht mit einem Feuer der Euphorie und Veränderungsbegeisterung antreten, ist aus meiner Sicht nachvollziehbar.

Auch unabhängig davon, dass die Weltklimakonferenz bevorstand, war meine Zeit im BMEL politisch aufregend. Zwei Wochen vor dem Ende meines Praktikums urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die ungenutzten Sondermittel, die die Regierung zum Kampf gegen die Corona-Krise aufgenommen hatte, nicht für andere Sinne genutzt werden dürfen. Plan der Regierung war es gewesen, das übrige Geld für die klimagerechte Transformation des Landes auszugeben, um keine weiteren Schulden machen zu müssen. Dieser Plan war jetzt, auf gut Deutsch gesagt, im Eimer. Von diesem Problem ist insbesondere der Klima-und-Transformationsfond betroffen, für den auch das Klimaschutzreferat im BMEL zuständig ist. Es folgte eine vom Finanzministerium angeordnete Haushaltssperre, inklusive wochenlanger Haushaltskrise. Die Gespräche darüber füllten schnell die Gänge, Referatsbesprechungen und Kantinengespräche. In Meetings mit Außenstehenden sprachen diese einen zuallererst auf die aktuelle Haushaltssituation an und inwiefern das eigene Projekt denn davon betroffen wäre. Kurz gesagt: Das Problem war in aller Munde. Wenn ich in diesen Tagen nach Hause kam, war ich daher total verwirrt, dass dort niemand darüber sprach. Meine Freundinnen und Freunde hatten von dem Urteil zwar mitbekommen, aber selbst diejenigen, die sich für Klimaschutz interessierten, schienen nicht richtig greifen zu können, was das nun bedeutete. Um fair zu sein, glaube ich, dass mir das ähnlich ergangen wäre, hätte ich nicht an der Quelle gesessen.

Mir ist durch das Praktikum vor allem klar geworden, dass Politik eine riesige Blase ist. Die Themen, die intern besprochen werden sind meist ganz andere, als die, die außerhalb ankommen. Die Art und Weise wie intern über die Themen gesprochen wird (sehr nüchtern, aber konstruktiv) unterscheidet sich außerdem vollkommen von der Berichterstattung über sie, von den Diskussionen am Stammtisch ganz zu schweigen. Wie ich aus meinem Studium weiß, hängt das mit der Medienlogik zusammen. Komplexe Zusammenhänge passen nun mal nicht verständlich erklärt in eine kurze Überschrift, erst recht nicht, wenn sie Lust machen soll, den dazugehörigen Artikel zu lesen. Ich finde es dennoch sehr kurz gedacht, die Schuld ausschließlich den Medien zu geben. Viel davon hat auch mit politischer Bildung zu tun. Wenn selbst Menschen mit Abitur nicht so genau wissen, wie der Bundeskanzler gewählt wird, wie soll eine Gesellschaft dann komplexe Urteile des höchsten Gerichts zu politisch immens wichtigen Fragen verständlich einordnen?

Nicht nur in dieser Hinsicht hat das Praktikum mich weitergebracht. Ich weiß nun nicht nur, dass ich im politischen Bereich arbeiten möchte, sondern auch, dass ich es kann. Mein Wunsch, in der politischen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zu arbeiten, hat sich durch das Praktikum glücklicherweise verstärkt. Ob ich das in einer Partei, einem Ministerium oder einer Nicht-Regierungs-Organisation mache, muss ich mir noch überlegen. Auch wenn ich ihn vermutlich noch 20 -mal abändern werde, fühlt es sich gut an, einen Plan zu haben.  

Bild: privat
Text: Lena Frohn

Ein Must-See, wenn man in Bonn ist: Der Hofgarten mit der Mensa der Universität Bonn im Hintergrund. Nach der Arbeit konnte Lena Frohn sich hier wieder wie eine Studentin fühlen. Foto: privat