Den Uni-Start mithilfe einer Mentorin meistern

„Es war jemand da, den man alles fragen kann“


In einigen Studienfächern der RPTU sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Um gezielt Studentinnen zu fördern, hat die Stabsstelle Gleichstellung, Vielfalt und Familie bereits im Jahr 2010 das Projekt „Mentoring für Studienanfängerinnen“ ins Leben gerufen: Eine Mentorin, eine erfahrene Studentin, unterstützt dabei ihre Mentee, eine Studienanfängerin.

„Telefoniert haben wir bereits vor meinem Studienbeginn, etwa zwei Monate bevor ich an die Uni gekommen bin“, berichtet Florentine Domrös über den ersten Kontakt zu ihrer Mentorin Annelina Valerius. Weitere Treffen folgten online und beim Start ins Studium vor Ort in Kaiserslautern: „Ich hatte am Anfang vor allem viele organisatorische Fragen. Es war gut zu wissen, dass da jemand ist, der einem alles erklären kann.“ Annelina Valerius und Florentine Domrös studieren beide Mathematik auf Bachelor – wobei Annelina Valerius vier Semester weiter ist. In Kontakt gebracht wurden sie über das Mentoring-Programm für Studienanfängerinnen, das von der Stabsstelle Gleichstellung, Vielfalt und Familie der RPTU ins Leben gerufen wurde. Annelina Valerius: "Bei dem Projekt werden Tandems zusammengeführt. Das sind eine ältere Studentin, die mindestens im dritten Semester ist und eine Studienanfängerin aus demselben Fach." Ziel sei es, dass die Ältere die Jüngere in ihren ersten beiden Semestern berät, etwas unter die Arme greift – und vielleicht auch vor dem einen oder anderen Stolperstein warnt.

„Unter anderem wegen des Mentoring-Programms habe ich mich überhaupt erst für den Studienort Kaiserslautern entschieden“

sagt Florentine Domrös, die wusste, dass sie sich mit Mathematik kein leichtes Fach ausgesucht hat – und deshalb von Anfang an auf Unterstützung vertraute: „Mathematik studieren viele schlaue Leute. Viele von ihnen haben ein Einserabi.“ Doch der Einstieg in das Studienfach sei für die allermeisten hart: „Einige brechen ab, weil das Fach ganz anders ist als der Mathe-Unterricht in der Schule.“ Was ist das Herausfordernde? „An der Uni geht es nicht ums Rechnen, sondern darum, Beweise zu führen, strukturiert zu denken", erklärt die 21-Jährige. "Es begegnet einem kaum eine Zahl. Ein Mathematik-Studium ist, als würde man eine andere Sprache lernen.“

Gemeinsam Anfangsschwierigkeiten ausräumen

Annelina Valerius kennt diese Anfangsschwierigkeiten aus eigener Erfahrung: „Ab der 10. Klasse war mir klar, dass ich Mathematik studieren möchte. Ich war sehr gut in dem Fach, hatte Mathe als Leistungskurs. Habe an Mathematik-Wettbewerben teilgenommen.“ Doch der Einstieg in das Mathematik-Studium war für die einst sehr gute Schülerin die pure Überforderung: „Ich habe mich richtig schlecht gefühlt. Die ersten Klausuren habe ich nicht bestanden.“ Drei Semester habe sie sich dann selbst Zeit gegeben, wollte herausfinden, ob es mit ihr und der Mathematik doch noch etwas werden könnte. Wollte nicht gleich alles hinschmeißen. Sie meldete sich unter anderem beim Mentoring-Programm an, war damals selbst Mentee, bekam Unterstützung. „Heute weiß ich, dass man sich viel Druck vor allem selbst macht“, resümiert Annelina Velarius, „viele scheitern einfach an sich selbst“.

"Immer jemand da, den man fragen kann"

Ihre Erfahrungen wollte die Mathematik-Studentin Valerius weitergeben, wurde mit Beginn des Wintersemesters 2021/ 22 die Mentorin der damaligen Studienanfängerin Florentine Domrös. Eine glückliche Fügung, von der beide profitiert haben: „Annelina hat mir von Anfang an den Perfektionismus genommen. Mit ihr konnte ich reden.“ Die beiden haben sich immer mal wieder getroffen, auch zusammen gekocht, die Chemie zwischen ihnen hat einfach gestimmt: „Annelina hat mir klar gemacht, dass es ganz normal ist, wenn es mal nicht so läuft. Wenn man mal zweifelt.“ Und: „Auch vor Klausuren habe ich ihren Rat eingeholt“. Wie sah die Hilfe konkret aus? „In Mathematik haben wir beispielsweise nach den ersten beiden Semestern eine sehr umfangreiche mündliche Prüfung“, erzählt Florentine Domrös. „Annelina hat mit mir gelernt, mir auch Tipps für die Prüfung gegeben.“ Und die 22-jährige Mentorin ergänzt: „Das war für mich ja auch eine gute Gelegenheit, den Stoff noch mal zu wiederholen.“ Und darüber hinaus? Was nimmt Annelina Valerius außerdem aus ihrer Mentorinnen-Tätigkeit mit? „Ich habe viel darüber gelernt, wie man führt. Man führt und leitet in gewisser Weise ja seine Mentee. Fähigkeiten, die man vielleicht noch mal brauchen kann, wenn man beispielsweise im Berufsleben die Karriereleiter hinaufklettert und irgendwann Mitarbeiter führen muss." Insgesamt empfehle sie eine proaktive Herangehensweise, sagt Annelina Valerius, fragt man, was sie zukünftigen Mentorinnen mit auf den Weg geben möchte: „Wenn ich von Florentine mal länger nichts gehört habe, dann habe ich auch schon mal nachgefragt, wie es ihr geht.“ Florentine Domrös pflichtet dem bei: „Als Mentee tut es einem unheimlich gut, wenn man weiß, dass da jemand ist. Jemand, der auch von sich aus nachfragt.“

Der Zeitaufwand für die Mentorin sei überschaubar, ergänzt Valerius, die mit Florentine Domrös bereits ihre zweite Mentee begleitet hat: „Klar muss man Zeit investieren. Aber jetzt auch nicht so viel Zeit, dass man diese nicht aufbringen könnte. Und es macht ja Spaß.“

Studentinnen stärken, damit sie gut durch ihre Uni-Zeit kommen

Im Rahmen von verschiedenen Veranstaltungen konnten sich die beiden auch mit anderen Mentorinnen und Mentees des Projekts austauschen. Christine Klein, die das Ganze von Seiten der Stabsstelle Gleichstellung, Vielfalt und Familie koordiniert, bekommt sehr gute Rückmeldungen: „Von den Mentees höre ich immer wieder, dass sie von dem Sicherheitsnetz profitieren, das ihnen das Programm bietet. Von den Mentorinnen, die das übrigens ehrenamtlich machen, höre ich, dass sie ihren eigenen Studienbeginn reflektieren.“

Dass das Projekt ein Erfolg ist, zeigen auch die steigenden Teilnehmerinnen-Zahlen: Zu Beginn des Wintersemesters 2022/ 23 haben sich über 50 Studienanfängerinnen angemeldet, darunter auch internationale Studierende. Christine Klein: „Ich versuche dann für jede eine passende Mentorin zu finden. Das erste entscheidende Kriterium bei der Tandem-Bildung ist natürlich, dass beide Studentinnen das gleiche Fach studieren. Bei einer größeren Auswahl schaue ich nach gemeinsamen Hobbys und Interessen.“ Genau wie auch Annelina Valerius seien die meisten Mentorinnen übrigens selbst einst Mentee gewesen: „Ich freue mich immer, wenn sie dem Projekt auf diese Weise treu bleiben.“

Sich austauschen, gemeinsam Zweifel ausräumen – so möglicherweise sogar Studienabbrüche verhindern. Was könnte das Mentoring-Programm außerdem leisten? Wie könnte es sich weiter entwickeln? Christine Klein: „Ich könnte mir vorstellen, dass die Teilnehmerinnen noch mehr Verantwortung übernehmen. Dass auch die Mentorinnen etwa Treffen für alle organisieren.“ Profitieren können die Teilnehmerinnen bereits jetzt von den Workshops der Stabsstelle Gleichstellung, Vielfalt und Familie: „Es geht dabei um die Erweiterung der Soft Skills“, erklärt Christine Klein. Etwa um Selbstmotivation, wie man eine herausfordernde Kommunikation meistert – oder auch darum, die eigenen Stärken zu entdecken. „Das sind alles Themen, die den Studentinnen dabei helfen sollen, gut durchs Studium zu kommen.“ Christine Klein wünscht sich, dass die Teilnehmerinnen des Mentoring-Programms auch nach ihrem Studium in Kontakt bleiben, „dass sie ein Netzwerk bilden, sich auch weiterhin gegenseitig unterstützen“.

Ein Netzwerk auch für den weiteren Lebensweg

Florentine Domrös und Annelina Valerius sind Freundinnen geworden. Das sei allerdings nicht selbstverständlich für jedes Tandem, betonen beide. Dennoch könne man seinen Nutzen aus dem Austausch ziehen, sie würden das Mentoring-Programm in jedem Fall weiterempfehlen. Annelina Valerius: „Am besten meldet man sich möglichst früh an. Damit Mentorin und Mentee noch vor Semesterbeginn miteinander Kontakt aufnehmen können.“

Und wie geht es für die beiden Mathematik-Studentinnen weiter? Florentine Domrös möchte nach dem Bachelor einen Master in Mathematik anhängen. Annelina Valerius will nach dem Bachelor die RPTU verlassen, einen ganz anderen, neuen Weg einschlagen: „Ich möchte etwas Handwerkliches machen, eine Ausbildung zur Konditorin.“ Doch sie schließt nicht aus, dass sie irgendwann ebenfalls einen Master in Mathematik absolviert, vielleicht berufsbegleitend. „Dann frage ich Florentine um Rat, sie wird dann meine Mentorin.“ Und Florentin Domrös meint lachend: „Ja sehr gerne. Natürlich werde ich Dir helfen.“

Text: Christine Pauli, Feste freie Mitarbeiterin im Bereich Wissenschaftskommunikation / Hochschulkommunikation / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der RPTU
Fotos: Thomas Koziel, Fotograf, Stabsstelle Universitätskommunikation der RPTU