Die Bazooka heilt keine Menschen
Warum Kriegsrhetorik in Corona-Zeiten nicht nur falsch, sondern gefährlich ist
Von Janpeter Schilling
Als „Bazooka“, also eine Panzerabwehrwaffe, bezeichnet der Bundesfinanzminister Olaf Scholz ein von ihm vorgestelltes Hilfspaket zur Abschwächung der Corona-Auswirkungen. Nur um im Anschluss auf „Kleinwaffen“ zu verweisen, die ebenfalls im Kampf gegen das Virus bereitstünden. Für den sonst eher nüchternen Scholz ist das eine ungewöhnliche Wortwahl. Schon früh in der Coronakrise stellte der französische Präsident Emmanuel Macron fest „Wir sind im Krieg“. Donald Trump, der selbst ernannte US-Amerikanische „Wartime President“ spricht gar von „our big war“. Warum bedienen sich wichtige Politiker in Corona-Zeiten eines solch martialischen Vokabulars? Und ist dies in Ordnung?
Die bewussten Parallelen zu Kriegszeiten schaffen Aufmerksamkeit und unterstreichen den Grad der Bedrohung, der vom Coronavirus ausgeht. Zudem hat ein gemeinsamer Feind eine verbindende Wirkung und kann den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Bei der Bevölkerung und den Märkten soll die Message ankommen, „wir haben den Ernst der Lage erkannt und fahren nun alles auf, um die Bedrohung abzuwenden“. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Dennoch ist die Kriegsrhetorik im Zusammenhang mit der Coronakrise nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Das Virus ist kein Konfliktakteur, der über die Motivation verfügt uns zu schaden. Zudem verfolgt ein Virus kein Ziel, zumindest wenn man der Wissenschaft und nicht den zahlreichen Verschwörungstheorien, die derzeit im Internet kursieren, vertraut. Mit Kleinwaffen lässt sich dem Virus nicht beikommen. Eine Bazooka heilt keine Menschen.
Diese martialische Rhetorik ist gefährlich, weil sie zu einer Versicherheitlichung des Virus führt. Versicherheitlichung bedeutet, dass man einen Prozess oder eine Personengruppe zu einer zentralen Bedrohung für die nationale Sicherheit erklärt, um dieser Bedrohung anschließend mit Sicherheitskräften (z.B. Militär) und Gewaltmitteln (z.B. Waffen), zu begegnen. Eine Versicherheitlichung des Klimawandels wird beispielsweise stark kritisiert, weil sie nahelegt, dass das Militär der richtige Akteur ist, um auf den Klimawandel zu reagieren. Natürlich kann das Militär, genau wie beim Klimawandel zum Beispiel durch die Sicherung von Deichen, auch in der Coronakrise eine positive Rolle einnehmen, beispielsweise bei der Errichtung von mobilen Krankenhäusern. Dennoch besteht die Gefahr, dass die Versicherheitlichungdes Coronavirus dazu genutzt wird, außerordentliche Maßnahmen und starke Beschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte zu rechtfertigen.
Um hier nicht falsch verstanden zu werden: Nach aktuellem Stand der Wissenschaft scheinen die Mobilitätsbeschränkungen, die in Deutschland und weiten Teilen der Welt derzeit gelten, ein sinnvolles Mittel zu sein, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Sie müssen aber regelmäßig überprüft und den Bürgerinnen und Bürgern erklärt werden, ohne dabei auf Kriegsrhetorik zurückzugreifen. Eine verbale „Abrüstung“ würde auch verhindern, dass in der Bevölkerung zusätzliche Ängste, in ohnehin unsicheren Zeiten, geschürt werden.
Wir sind nicht im Krieg. Wir sind in einer Krise – aus der wir wieder herauskommen werden, ohne Panzer, ohne Bazooka.
Über die Autor*innen
Jun.-Prof. Dr. Janpeter Schilling ist Klaus-Töpfer-Stiftungsjuniorprofessor für Landnutzungskonflikte am Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau und wissenschaftlicher Leiter der Friedensakademie Rheinland-Pfalz.