Private Militär- und Sicherheitsfirmen in Konfliktzonen

von Ulrich Petersohn

Der zunehmende Einsatz von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen in bewaffneten Konflikten wird von vielen Beobachtern mit Sorge betrachtet. Um exzessiven und unregulierten Gewalteinsatz durch kommerzielle bewaffnete Akteure zu verhindern wurde ein internationales Regime zu ihrer Regulierung geschaffen. Doch wie gefährlich sind diese Unternehmen wirklich, und wie aussichtsreich sind die bestehenden Kontrollmechanismen?

Die enormen Schrumpfkuren der Streitkräfte während der 1990er Jahre bei gleichzeitiger Zunahme des operativen Tempos, sind zwei wichtige Faktoren die zum Boom der privaten Militär- und Sicherheitsfirmen (PMSF) geführt haben. Mittlerweile hat sich ein ganzer Markt für bewaffnete Dienstleistungen in Konfliktzonen etabliert. Dieser umfasst beispielsweise Konvoi-, Lager- und Personenschutz. Diese „defensiven“ Dienstleistungen werden von den meisten Regierungen und internationalen Organisationen als legitim erachtet. Dennoch betrachten viele diese Entwicklung mit Sorge. Einer der maßgeblichen Einwände der Skeptiker beruht auf der angenommenen Aggressivität solcher Unternehmen und der damit verbundenen Gefahr der Gewalteskalation. Befürworter verweisen dahingegen auf die bestehende Regulierung von PMSF und die strengen Regeln zur defensiven Gewaltanwendung. In diesem Artikel sollen beide Argumente auf ihre Tragfähigkeit untersucht werden.

Aggressive Cowboys? Empirische Befunde

Oftmals werden PMSF als wilde ‚Cowboys‘ dargestellt, die wenig zimperlich und mit überbordender Aggressivität agieren. Dieses Bild ist maßgeblich von einigen wenigen – unbestreitbar schrecklichen – Zwischenfällen im Irak und Afghanistan geprägt. Es steht außer Zweifel, dass bewaffnete Dienstleister das Potential haben, enorme Zerstörungswirkung zu entfalten. Allerdings kann aus unsystematisierten Fällen nicht ohne Weiteres auf das Verhalten der Gesamtheit der PMSF geschlossen werden. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass PMSF keinesfalls aggressiver agieren als reguläre Streitkäfte. Dies geht zum Beispiel aus Daten über sogenannte ‚friendly fire incidents’, also Zwischenfälle in denen verbündete Kräfte versehentlich aufeinander feuern, im Irak hervor. Es zeigt sich, dass PMSF zwischen 2004 und 2010 ‚nur‘ in 68 von 1269 dieser Zwischenfälle verwickelt waren. Insgesamt führten diese Feuergefechte zu 781 Verlusten, jedoch ‚nur’ 55 Personen kamen in Gefechten zu Schaden in denen PMSF involviert waren. Wird die Anzahl der Feuergefechte, Verluste und die Kontingentgrößen der PMSF mit denen der US-amerikanischen und der irakischen Streitkräfte ins Verhältnis gesetzt, schneiden private Firmen sehr gut ab: Die Verlustrate pro Zwischenfall liegt in der Regel unter denen des irakischen und US-Militärs. Weiterhin zeigt sich, dass das Bild des lockeren Abzugsfingers im Falle von PMSF überzogen ist. Die Daten zeigen, dass PMSF in 50% (34) der Fälle den Schusswechsel initiierten, und in 35% (24) der Fälle erwiderten die Firmen nachdem sie unter Beschuss geraten waren (in 15% (10) der Fälle ist eine Kategorisierung nicht möglich). Wird zwischen ‚westlichen‘ und lokalen Firmen unterschieden, zeigt sich ein weiteres Muster. Obwohl eine dünnere Datenlage hier zur Vorsicht mahnt, lassen sich aus den 68 Zwischenfällen 16 eindeutig internationalen und 27 lokalen irakischen Firmen zuordnen. In den 16 Fällen, in die internationale Firmen verwickelt waren wurden drei Menschen getötet, während durch lokale Firmen 14 Menschen zu Tode kamen.[i] Der Befund, dass lokale PMSF eher zur Gewalteskalation beitragen, wird auch in Afghanistan untermauert. Hier sind PMSF oftmals nicht mehr als die Milizen ehemaliger Warlords, die sich nun in neuem Gewand als lokale Sicherheitsfirmen verdingen. Das Geschäftsmodel beruht hier jedoch nicht nur auf dem Angebot von Sicherheitsdienstleistungen, sondern auch auf einer gezielten Gewalteskalation durch die Firmen selbst, mit dem Ziel diese Leistungen überhaupt notwendig zu machen.[ii]

Im Überblick unterstützt die Datenlage also nicht die Behauptung, dass PMSF generell aggressive ‚Cowboys‘ sind, die eine gewalteskalierende Wirkung haben. Vielmehr zeigt sich eine Zweiteilung des Marktes: Auf der einen Seite sind westliche PMSF angesiedelt, die sich eher durch eine restriktive Gewaltanwendung auszeichnen. Auf der anderen Seite finden sich lokale PMSF, die oft eine aggressive Haltung aufweisen.

International Code of Conduct: Effektive Regulierung?

Es kann jedoch nicht übersehen werden, dass es natürlich auch zu Exzessen und überzogener Gewaltanwendung durch westliche PMSF kommen kann. Der Ruf nach Regulierungen ist daher gerechtfertigt. International ist der ‚International Code of Conduct for Private Security Service Providers’ (ICoC), der 2010 in Kraft trat, eines der wichtigsten Regulierungswerke für PMSF. Dieser wurde in Zusammenarbeit zwischen Regierungen, zivilen Organisationen und der Sicherheitsindustrie in Genf entwickelt‚ und enthält umfangreiche Regelungen zum Management, Rekrutierung, Verhalten im Einsatz und anderen Praktiken. Problematisch ist dabei allerdings, dass der ICoC als internationales Selbstverpflichtungsregime bisher nur mit einem schwachen Aufsichts- und keinerlei Sanktionsmechanismus ausgestattet ist. Dies führt bei Beobachtern oftmals zu Zweifeln an der Effektivität dieses Regimes.

Die Forschung zeigt jedoch, dass die Regulierung von PMSF durch den ICoC auch ohne einen Sanktionsmechanismus Wirkung zeigt, zumindest bei einem Teil der Unternehmen. Dies kann vor allem durch zwei Faktoren erklärt werden: Erstens richten sich Normen als Handlungsanweisungen an Akteure mit bestimmten Identitäten. Ihr Erfolg basiert auf einer intrinsischen Motivation, die den Akteur dazu veranlasst, einer Norm auch ohne äußere Anreize Folge zu leisten. Die Normen des ICoC zielen beispielsweise auf legale Unternehmensstrukturen, die Achtung der Menschenrechte, und eine restriktive Anwendung von Gewalt. Marktanbieter, die diese Werte in ihrem Selbstverständnis reflektieren, verhalten sich mit großer Wahrscheinlichkeit normkonform. Zweitens, kann der Kunde natürlich einen externen Anreiz setzen, um die Firmen zur Einhaltung des ICoC zu bewegen, indem die Ausführung der Leistung entsprechend dieser Standards im Vertragswerk festgelegt wird. Firmen die sich dem ICoC nicht anschließen würden somit ihre Chancen auf lukrative Verträge vergeben.

Es gibt also nicht nur Grund zur Skepsis gegenüber dem ICoC. Allerdings ist seine Wirkungskraft beschränkt. Die momentane Konstruktion des Regelwerks erfordert eine bestimmte Identität der Firmen und eine bestimmte Nachfrage ihrer Kunden, um wirksam zu sein. Beide Faktoren sind erstens nicht universal vorhanden und zweitens in hohem Maße variabel. Firmen können neue Identitäten entwickeln; Kunden andere Präferenzen äußern. Beispielsweise kann ein Marktanbieter entscheiden fortan nicht nur defensive, sondern auch offensive Dienstleistungen anzubieten. Kurzum, nicht jede Firma auf dem Markt weist eine Identität auf, die die Befolgung der ICoC-Standards wahrscheinlich macht. Gleiches gilt für die Marktnachfrage durch Kunden. Es hat sich bereits gezeigt, dass Regierungen, insbesondere in schwachen Staaten, den Schutz der Menschenrechte und den restriktiven Einsatz von Gewalt nicht unbedingt an oberste Stelle rücken. Ihnen ist vielmehr an einer effektiven und robusten militärischen Dienstleistung gelegen, um beispielsweise verlorengegangenes Territorium wieder zu erlagen.

Fazit und Trends

Es zeigt sich, dass der ICoC weniger eine regulierende, sondern vielmehr eine segmentierende Wirkung hat. Firmen, die ohnehin eine legale, restriktiv-defensive Identität aufweisen, haben das ICoC-Regime unterzeichnet. Dies sind nicht ausschließlich, aber doch maßgeblich westliche Firmen, die entsprechend westlicher legaler Standards organisiert sind und deren Personal großteils innerhalb von demokratischen Streitkräften oder Polizei sozialisiert wurde. Die Einführung des ICoC hat kaum regulierende Wirkung auf diese Firmen, da sie bereits zuvor, gemäß ihrer Werteordnung, zurückhaltend agierten. In den seltenen Fällen exzessiver Gewaltanwendung durch diese Firmen entfaltet der Code aufgrund seiner schwachen Aufsichtsstruktur ebenfalls keinerlei regulierende Wirkung.

Umgekehrt ist der ICoC gerade bei solchen Firmen wirkungslos, die westlichen Standards nicht entsprechen und Personal mit einem anderen Hintergrund rekrutieren. Ehemalige afghanische ‚Warlords’, haben ebenso Firmen gegründet, wie ehemalige irakische Offiziere, oder Angehörige autokratischer Spezialeinheiten. Ausgerechnet von diesen Firmen ist nicht zu erwarten, dass sie den Regeln der ICoC und seiner Selbstverpflichtung nachkommen. Sie werden sich dem Regime nicht anschließen bzw. von ihm nicht aufgenommen.

Der ICoC schreibt somit eine bereits existierende Segmentierung des Marktes fort. Im Irak und in Afghanistan verlief die Bruchlinie bisher grob entlang der Unterteilung zwischen westlichen und lokalen Firmen. Die Wirkung der lokalen PMSF hatten sicherlich das Potential, die Gewaltdynamik des Konflikts anzuheizen, blieb jedoch geographisch begrenzt. Allerdings verschiebt sich diese Linie gerade. Jenseits international operierender, westlich-defensiver PMSF, bilden sich zunehmend international operierende, oftmals nicht-westliche, offensive Anbieter heraus. Beispielsweise hat kürzlich die ‚Frontier Service Group‘, ein Logistik- und Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Hong Kong, zwei zivile Flugzeuge umbauen lassen, um sie für einen Kampfeinsatz im Sudan auszustatten. Ebenso zu nennen sind hier die russischen Privatunternehmen, die Kampfhandlungen in Syrien durchführten, sowie die südafrikanischen Anbieter, die die nigerianische Regierung im Kampf gegen Boko Haram unterstützen.

Es zeigt sich somit, dass sowohl Skeptiker als auch Befürworter des Einsatzes von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen in ihren Argumenten einerseits gestärkt und andererseits geschwächt sehen können. Die Sorge der Skeptiker über aggressives Verhalten und einer Eskalation der Gewalt war in Bezug auf westlicher Firmen weitgehend unbegründet. Im Hinblick auf lokale Anbieter und die Entwicklung des Segments der international agierenden Kampfanbieter ist sie jedoch ernst zu nehmen. Die Befürworter hingegen können darauf verweisen, dass ein Großteil der Industrie restriktiv, im Einklang mit den ICoC-Standards, agiert. Dies ist aber weniger auf die regulierende Wirkung des Codes zurückzuführen, sondern auf die bereits existierende Identität dieser Firmen. Weiterhin trifft dieses Argument auch nur auf eine begrenzte Anzahl von Marktakteuren zu, nämlich eher westliche Anbieter.

Im Ausblick auf zukünftige Regulierungsbemühungen bleibt festzuhalten, dass eine universale Regulierung, mit effektiven Aufsichts- und Sanktionsmechanismen, für den gesamten internationalen PMSF-Markt unrealistisch ist. Die Schwierigkeit ist weniger die Ausarbeitung von Regeln, als die Sanktionierung und Aufsicht über deren Einhaltung. Es gibt im Wesentlichen nur zwei sanktionsbasierte Regulierungsregime, die Aussicht auf Erfolg haben. Zum einen ist dies innerstaatliche Regulierung. PMSCs sind allerdings in Konfliktregionen im Einsatz, in denen der Gastgeberstaat Regulierung und Aufsicht kaum gewährleisten kann. Innerstaatliche Regulierung ist somit nur eine Alternative in hinreichend starken Staaten. Zum anderen können Truppen starker Staaten in einem Einsatzgebiet in dem auch PMSFs operieren eine, zumindest grundlegende, Aufsicht bereitstellen. Wenngleich sich auch hier immernoch enorme Problem stellen, im Bereich der Zuständigkeit, Vertragsgestaltung und insbesondere einer kontinuierlichen Aufsichtsfunktion. Erfahrungen aus dem Irak haben gezeigt, dass Maßnahmen, wie beispielsweise Kameras in PMSF-Fahrzeugen oder Berichtspflichten, eine moderate Kontrolle gewährleisten können.[iii] International ist der ICoC trotz einer gewissen Zahnlosigkeit, das einzig vielversprechende Instrument. Der ICoC erfasst nicht den gesamten transnationalen PMSF-Markt, und entfaltet seine Wirkung auch nicht durch klassische Überwachungs- und Sanktionsmechanismen. Seine Wirkung basiert auf der Formalisierung von Regeln und der daraus folgenden Segmentierung des Marktes. Auf der einen Seite stehen Firmen, die sich selbstverpflichten und dadurch ihre bereits bestehende ‚legal-defensive‘ Identität stärken. Auf der anderen Seite PMSF mit anderen Identitäten, die sich nicht anschließen. Weiterhin entfaltet das Regime eine langfristige sozialisierende Wirkung auf neu gegründete Firmen, die diesen Standard von Beginn an als geltende Norm erachten. Letztlich erlaubt der ICoC es Kunden zwischen regulierten und unregulierten Firmen zu unterscheiden und ihre Nachfrage entsprechend anzupassen.

QUELLEN

[i] Petersohn, Ulrich. (2013) The Effectiveness of Contracted Coalitions: Private Security Contractors in Iraq. Armed Forces & Society 39:467-88.

[ii] ———. (2014) The Social Strcuture of the Market for Force. Cooperation and Conflict online-first.

[iii] ———. (2011) The Other Side of the Coin. Private Security Contractors and Counterinsurgency Operations. Studies of Conflict and Terrorism 34:782-801.

Über die Autor*innen

Dr. Ulrich Petersohn ist  Associate Professor an der Universität Liverpool. Er hat extensiv zu PMSF in akademischen Zeitschriften veröffentlicht. Sein neustes Buch ‚Markets for Force‘ ist 2015 bei University of Pennsylvania Press erschienen.