17. Forschungskolloquium
Das siebzehnte Forschungskolloquium des universitären Potentialbereichs Region und Stadt fand am Mittwoch, den 22. November 2023, zum Leitthema „Digitalisierung“ statt. Das Forschungskolloquium fand wiederholt über Zoom statt.
Zunächst präsentierten Julia Mayer und Johannes Ruf „Stadtgrün 2.0 – Mit Luftbildern und KI zu einem besseren Baumkataster“. Julia Mayer hat Mathematik studiert und beschäftigt sich unter anderem mit der Qualität und den Einsatzmöglichkeiten städtischer Daten. Johannes Ruf ist Informatiker und promoviert im Bereich der Erklärbarkeit von großen Sprachmodellen. Beide sind wissenschaftliche Mitarbeitende im Smart City Living Lab des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern.
Julia Mayer und Johannes Ruf stellten ein Teilprojekt zur Erweiterung und Ergänzung des stäadtischen Bamukatasters von Kaiserslautern vor, welches in das Verbundvorhaben „Ageing Smart – Räume intelligent gestalten“ eingebettet ist. Dieses wird von der Carl-Zeiß-Stiftung gefördert und widmet sich der Lebensqualität der so genannten Baby-Boomer, die in den kommenden Jahren sukzessive in den Ruhestand übertreten.
Da bestimmte Baumarten Isoprenoide ausstoßen, die für vulnerable Bevölkerungsgruppen schädlich sein können, werden für das gesamte Stadtgebiet Position und Gattung der Bäume bestimmt. Diese Informationen dienen schließlich als Datenbasis für eine human-biometeorologische Routenführung, die von den Projektpartnern AG Optimierung und der Physischen Geographie der RPTU umgesetzt wird.
Stadtbäume spielen jedoch nicht nur für die lokalen Emissionen eine Rolle, sondern sie bieten in der Stadt aber auch noch einige Vorteile: Sie dienen beispielsweise der Verschattung, sorgen für eine gesunde Luftqualität oder helfen bei der Reduktion von Lärm innerhalb der Stadt. Ein Baumkataster wäre daher in weiteren Bereichen einsetzbar, zum Beispiel könnten Verschattungen innerhalb der Stadt angezeigt werden. Aber auch für die Baumpflege kann ein Baumkataster verwendet werden.
Aktuell gibt es schon ein digitales Baumkataster in Kaiserslautern, allerdings sind dort nur Bäume auf öffentlichem und halböffentlichem Grund erfasst. Für das Projekt sind aber auch Bäume auf privatem Grund relevant, welche in dem Baumkataster der Stadt Kaiserslautern nicht vorhanden sind. Zusätzlich zum Baumkataster liegen aber noch weitere Datensätze vor, wie Luftbilder oder Befliegungen der Gebiete der Stadt Kaiserslautern.
Die Luftbilder wurden zunächst zugeschnitten, da sie sonst zu groß sind, um von dem Modell verwendet werden zu können. Desweiteren mussten viele Bäume nachgelabelt werden. Verwendet wurde ein vortrainiertes Modell, welches ursprünglich zum Zählen von Menschenmassen verwendet wurde. Auch für das menschliche Auge ist es auf Luftbildern mit geringer Auflösung teilweise schwierig zu erkennen, ob es sich um einen Baum oder ggf. um eine Laterne handelt. Vor allem in Baumgruppen ist es herausfordernd einzelne Bäume auseinander zu halten. Dies führt dazu, dass die Ergebnisse zunächst nur ausreichend waren. Im besten Fall wurden 77 Prozent der Bäume gefunden.
Weitergehend sollen unter Einbeziehung der Zivilbevölkerung zusätzliche Daten gesammelt und eingepflegt werden. Zusätzlich besteht die Idee Satellitendaten miteinzubeziehen, um Aussagen über die Baumgesundheit treffen zu können.
Diskussion:
In der Diskussionsrunde wurde zunächst gefragt, wie relevant Citizen Science in diesem Projekt ist. Bei so großen Datenmengen wäre der Einbezug der Bevölkerung schon sehr sinnvoll, da die Menge sonst vermutlich nicht allein zu stemmen wäre.
Als nächstes wurde eine Frage zum Datenschutz gestellt: Gibt es innerhalb des Projektes Probleme mit dem Datenschutz und wenn ja, wie wird damit umgegangen? In diesem Bereich herrscht große Unsicherheit bei den einzelnen Kommunen, wie damit umgegangen wird.
Anschließend präsentierte Timo Dilly das Projekt ZIGGURAT: ZIGGURAT ist eine Software, die es ermöglicht, Kanalnetze für Schmutzwasser, Regenwasser oder Mischwasser unter Berücksichtigung blau- grüner Infrastrukturen automatisiert zu planen. Dabei können das Layout, der Grad der (De-)Zentralisierung, die Kanaldurchmesser und das Gefälle, die Verlegetiefen, die Pump- und Speicheranlagen sowie blau-grüne Infrastrukturen als Optimierungsvariablen betrachtet werden. Die Software basiert auf der Verknüpfung einer Vielzahl allgemeingültiger technischer Regeln der Tiefbauplanung, mathematischer Methoden zur Generierung sinnvoller Lösungsvarianten sowie eigens dafür entwickelter Algorithmen. Diese basieren auf aktuellen Erkenntnissen aus eigenen Forschungsarbeiten in den Bereichen der Siedlungsentwässerung und Hydroinformatik.
ZIGGURAT wird seit März 2023 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Europäischen Sozialfonds gefördert. Die (ehemaligen) Mitarbeiter vom Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft erhalten zur Zeit eine EXIST-Förderung zur „Existenzgründung aus der Wissenschaft“. Timo Dilly war seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft. Seit Mai 2023 ist er Geschäftsführer der Sustainable Water Infrastructure Solutions GmbH (SWIS). Die SWIS unterstützt Unternehmen bei der Digitalisierung und Automatisierung und entwickelt Tools zur Lösung siedlungswasserwirtschaftlicher Fragestellungen.
Das Team besteht aktuell aus sechs Leuten und bearbeitet zur Zeit die Weiterentwicklung von ZIGGURAT. Mit ZIGGURAT kann das Team Kanalnetze für Abwasser, Regenwasser oder auch die Mischung aus beiden planen. Die Besonderheit der Software liegt darin, dass schnell Variantenvergleiche durchgeführt werden können und zusätzlich können blau- grüne Infrastrukturen mitberücksichtigt werden. Mithilfe der Software kann Arbeitszeit eingespart werden und zusätzlich auch die Investitionskosten in die einzelnen Projekte. Aktuell wurde schon eine Demoversion veröffentlich. Dieses Webtool ermöglicht es sich in jedem Gebiet der Welt ein Pilotgebiet festzulegen und man kann sich ein Kanalnetz für das gesamte Gebiet berechnen lassen. Gezeigt wurde dies an einem Gebiet in Indien. Mithilfe des Algorithmuses konnte für dieses Gebiet eine Verbesserung gefunden werden, die für die Bearbeitenden zuvor nicht erkennbar war. Dem Algorithmus können verschiedene Maßnahmen vorgegeben werden, was durch verschiedenen Parameter eingebracht werden kann. Durch erneute Berechnungen können so neue angepasste Varianten erzielt werden.
Diskussion:
Zu Beginn der Diskussion wurde zunächst gefragt, ob das Produkt primär im Globalen Süden angewendet wird oder kann man den Algorithmus auch für beispielsweise deutsche Kommunen anwenden. Da der Algorithmus für Neuplanungen gedacht ist, befindet sich der größere Markt im Globalen Süden. Aber auch für Neubaugebiete oder städtische Erweiterungen in Deutschland ist das Produkt geeignet.
Anschließend wurde gefragt, inwiefern das Tool schon von Kommunen oder Ingenieursbüros selbst genutzt werden kann. Aktuell kann die Demoversion kostenlos von jedem getestet werden. Ab Januar soll die Vollversion rauskommen, mit dem die Büros selbst planen können. Dazu sollen dann Online-Schulungen stattfinden, damit Büros weltweit die Vollversion verwenden können.
Das 18. Forschungskolloquium findet am 31.01.2023 von 12-13 Uhr statt.