Die Namensgeberin
Clara Immerwahr
Die Namensgeberin des Preises, Clara Immerwahr (* 21. Juni 1870 in Polkendorf bei Breslau; † 2. Mai 1915 in Dahlem bei Berlin), war die erste Frau, die in Deutschland im Fach Chemie promovierte. Sie hat im Bereich der Technischen Chemie geforscht und war Ehefrau von Fritz Haber, dem Erfinder der Ammoniaksynthese. Die Beteiligung von Fritz Haber an der Produktion und dem Einsatz von Giftgas im 1. Weltkrieg lehnte Clara Immerwahr ab. Ihre Vorbildrolle wirkt auch 100 Jahre nach ihrem Tod fort.
Mehr Informationen zu Clara Immerwahr finden Sie, z.B. unter:
- Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Clara_Immerwahr
- Zeit Online Archiv: http://www.zeit.de/2014/08/erster-weltkrieg-chemiwaffen-giftgas-haber
Die Pionierin
(Quelle: Die Rheinpfalz, Nr. 101 vom 02.05.2015)
Warum die Ehefrau des prominenten Chemikers Fritz Haber am 2.Mai 1915 zur Dienstpistole ihres Mannes greift und sich im Garten des gemeinsamen Hauses erschießt, bleibt im Dunkeln. Fest steht: 100 Jahre später gilt die Aufmerksamkeit längst nicht mehr allein dem Erfinder der Ammoniaksynthese, sondern auch der ebenso brillanten Clara Immerwahr.
Ihre Promotion im Jahr 1900 war eine kleine Sensation: Clara Immerwahr gilt als die erste Deutsche, die einen Doktorgrad im Fach Chemie erwarb. In die Geschichte ging Clara indes als Ehefrau von Fritz Haber ein – dem Wissenschaftler, der im Ersten Weltkrieg das Giftgas auf die Schlachtfelder brachte. Als sich die junge Clara für ihren Berufsweg entscheidet, tut sie das gegen die Konventionen ihrer Zeit. Das Mädchen, das am 21. Juni 1870 in Polkendorf bei Breslau als jüngste von drei Schwestern zur Welt kommt, will mehr als das, was ihr die gesellschaftlichen Normvorstellungen bieten können. Sie will studieren. Aber nicht irgendetwas, sondern Chemie. So wie ihr Vater, Philipp Immerwahr, der als promovierter Chemiker auf seinem Landgut mit Kunstdünger experimentiert. Und so wie ihr Jugendfreund Fritz Haber, den sie aus der Tanzstunde kennt.
Für ihre Abiturprüfung braucht die junge Clara eine Sondergenehmigung.
Doch Claras Weg an die Universität ist alles andere als einfach, wie die Historikerin Gerit von Leitner in ihrer Biografie „Der Fall Clara Immerwahr“ aufzeigt. Die Schwierigkeiten fangen schon in der Schule an. Ein Gymnasium für Mädchen gibt es in Breslau, dem heutigen Wrocław, nicht. Stattdessen werden die jungen Frauen an einer Höheren Töchterschule auf ihr Leben als Ehefrau und Mutter vorbereitet. Das Wissen, das Clara dort erhält, reicht nicht für das Abitur, das sie für ihren Traum vom Studium benötigt. Über den Umweg des Lehrerinnenseminars gelingt es Clara schließlich mit einer Sondergenehmigung, das Abitur abzulegen. Während ihr Tanzstundenfreund Fritz nach dem Abitur zum Studium nach Heidelberg aufbricht, bemüht sich Clara, als Gasthörerin an der Universität in Breslau aufgenommen zu werden. Reguläre Studienplätze für Frauen sind zu dieser Zeit noch nicht vorgesehen. Clara muss ihre Dozenten erst von sich überzeugen, was ihr dank ihres fundierten Wissens auch gelingt. Trotzdem muss Clara die nächsten Jahre immer wieder gegen Vorurteile gegen Frauen in der Wissenschaft kämpfen. Doch sie findet auch Unterstützung: Richard Abegg, der seit 1899 als Privatdozent und Leiter des Chemischen Instituts in Breslau arbeitet, wird ihr Mentor. Ein Jahr später, Clara ist mittlerweile 30 Jahre alt, schließt sie bei Abegg ihre Promotion mit magna cum laude ab. Ihr Fachgebiet ist die physikalische Chemie. In ihren Versuchsreihen analysiert sie unter anderem die Löslichkeit von Schwermetallen. Ihre Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet finden bis heute ihre Anwendung, etwa in Batterien und Elektromotoren.
Die promovierte Chemikerin hält schließlich Vorträge über „Chemie in Küche und Haus“.
Die mündliche Prüfung, mit der Clara ihre Promotion abschließt, wird mit Fragen zu den Gasgesetzen eröffnet – ein Thema, das auch den jungen Fritz Haber umtreibt. Sowohl Clara als auch Fritz haben mittlerweile ihren jüdischen Glauben abgelegt und sind zum Protestantismus konvertiert. Ein Jahr später, 1901, heiraten die beiden. Claras Leben richtet sich von nun an immer stärker an dem ihres Mannes aus. Sie begleitet ihn nach Karlsruhe, wo Haber seit 1898 als außerordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Karlsruhe lehrt. Am Anfang ihrer Ehe versucht Clara noch, ihren beiden Leben – der Chemie und ihren Pflichten als Ehefrau – nachzukommen. Doch dann wird sie schwanger. Nach der Geburt ihres Sohnes Hermann 1902 ist es für Clara unmöglich, als Chemikerin weiterzuarbeiten. Was ihr bleibt, sind Vorträge für Frauen, die sie seit 1905 beim Volksbildungsverein Karlsruhe zum Thema „Chemie in Küche und Haus“ hält. Ihr Mann macht in der Zwischenzeit Karriere. Mit der Ammoniaksynthese, die ihm 1909 gelingt und Jahre später den Nobelpreis einbringt, macht sich Haber einen Namen. Seit 1911 leitet er das Kaiserilhelmnstitut für physikalische Chemie in Berlin, die Familie folgt ihm in die Großstadt. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, meldet sich Haber freiwillig und forscht als wissenschaftlicher Berater im Kriegsministerium zum Thema Kriegschemikalien. Sein Ziel: Er will ein Giftgas für den Kriegseinsatz entwickeln. Am 22. April 1915 ist es soweit. Das deutsche Heer setzt im belgischen Ypern zum ersten Mal Giftgas ein. Clara kommt mit all dem nicht mehr zurecht. Ihr fehlt die eigene Forschung, sie ist seit Jahren immer wieder krank und leidet unter der dominanten Art ihres Mannes. Am 2. Mai 1915, wenige Tage nach dem Giftgasangriff in Ypern, erschießt sie sich mit der Dienstpistole ihres Mannes im Garten. Fritz Haber selbst bricht am nächsten Tag zu einem weiteren Einsatz an die Front auf. Was genau Clara zu diesem drastischen Schritt bewogen hat, lässt sich bis heute nicht genau sagen. Aus ihrem Leben sind kaum Dokumente erhalten, wie ihre Biografin von Leitner schildert. Erschoss sie sich aus Protest gegen die Kriegsarbeit ihres Mannes? War es, weil ihr Mann sie offenbar betrog und sie an ihrem Leben verzweifelte? Ihr Freitod nur wenige Tage nach dem Gasangriff und ihre kritischen Äußerungen über die Arbeit ihres Mannes haben sie zu einem Symbol für Kriegsgegner in der ganzen Welt gemacht
Nur wenige Tage vor Claras Freitod wurde bei Ypern erstmals Giftgas eingesetzt.
Andere sehen in ihr eine mutige Pionierin im Bereich der Naturwissenschaften, die gegen die Konventionen ihrer Zeit ihr Recht auf Bildung eingefordert hat. Doch egal, aus welchem Blickwinkel man Clara Immerwahr betrachtet, sie ist bis heute vor allem eines: unvergessen.