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Konzept ‚Mit Kindern im Gespräch‘ revolutioniert Sprachbildung und -förderung
Auf Gespräche kommt es an: Die gleichnamige Transfertagung an der RPTU im Oktober präsentierte ein wirksames Konzept der Sprachbildung und Sprachförderung vor allem für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter, das Wissenschaft mit Praxis verbindet. Sie bildete damit den Abschluss der erfolgreichen Entwicklungs- und Forschungsprojekte BiSS (Bildung durch Sprache und Schrift) und BiSS-Transfer, einer Bund-Länder-Initiative zur Verbesserung von Sprachbildung und -förderung in Schulen und Kitas. Zehn Jahre Entwicklung und Evaluation am Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter an der RPTU in Landau liegen hinter Professorin Gisela Kammermeyer und ihrem Team. Das Ergebnis ist das erfolgreich erprobte Fortbildungskonzept ‚Mit Kindern im Gespräch‘, das jetzt zur weiteren Umsetzung an das Pädagogische Landesinstitut übergeben wurde.
Erst Forschung, dann Entwicklung über einen Zeitraum von einer Dekade, die finanziert werden durch Bund und Land und im Anschluss die Evaluation, finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Wenn Wissenschaftler so viel Zeit bekommen, an einer Sache zu arbeiten, ist das Thema von besonderer Bedeutung. In diesem Fall dreht es sich um die Sprachkompetenz von Kindern vor allem im Kindergarten- und Grundschulalter, also im Elementar- und Primarbereich. Sprachkompetenz ist zentral für den erfolgreichen Bildungsweg von Kindern.
„Die bislang angewendeten Konzepte führten teilweise nicht zu den erhofften Zielen“, erläutert Kammermeyer die Ausgangslage für ihr Forschungsprojekt. „Dies könnte daran liegen, dass die Schwerpunkte der Fortbildung stark auf theoretischem Fachwissen liegen, unter anderem über Sprachstörungen oder Probleme, die manchmal aus Mehrsprachigkeit resultieren und zu wenig auf praktisch umsetzbaren Handlungswissen, also wie kann ich ein Kind sprachlich konkret fördern“, vermutet die Expertin für Sprache im frühen Kindesalter.
Anregungsqualität im Fokus
„Wir änderten den Ansatz und entschieden uns, einen Weg zu erproben, indem wir an den Erfahrungen der Fach- und Lehrkräfte anknüpfen und das Handeln in den Mittelpunkt stellen. Dabei haben wir die Anregungsqualität in den Vordergrund gestellt“, so Kammermeyer. Der Begriff der Anregungsqualität bedeutet, Kinder zu länger anhaltendem Sprechen und Denken anzuregen. Es geht auf der einen Seite darum, beispielsweise durch offene Fragen Kinder anzuregen, ihre eigenen Vorstellungen, Ideen und Meinungen zu formulieren. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, den Kindern ein Modell für sprachliche Formulierungen anzubieten, indem die Fach-/Lehrkraft beispielsweise denkbegleitendes Sprechen einsetzt.
Eine weitere wichtige Methode ist, durch gezieltes Nachfragen das Denken des Kindes sichtbar zu machen. Beispielsweise durch Fragen wie ‚Wie bist du darauf gekommen?‘ oder ‚Woran hast du erkannt, dass …?‘. „Denken sichtbar machen regt die Kinder zum Sprechen und Selberdenken an. Beides ist wichtig und hängt eng zusammen“, so die Expertin.
Patricia Goebel, Mitarbeiterin am Projekt BiSS, die das Konzept ‚Mit Kindern im Gespräch‘ in Zukunft am Pädagogischen Landesinstitut weiter in die Fläche tragen wird, ergänzt: „Das Konzept ist alltagsintegriert anwendbar. Dadurch ist es nach einiger Übung auch bei Gesprächen im Unterricht umsetzbar – quasi nebenbei. Es ist eine Bereicherung für alle Kinder, mit oder ohne Sprachförderbedarf. Durch den Einsatz der Gesprächsstrategien kommen Kinder wesentlich intensiver in einen Austausch.“ Das Konzept befähigt die Fachkraft also, durch den gezielten Einsatz der Gesprächsstrategien, in einen intensiven beziehungsstiftenden sprachlichen Austausch zu kommen. Außerdem trägt es aktiv zur Persönlichkeitsbildung der Kinder bei, indem sie dabei unterstützt werden, eine eigene Meinung zu finden und zu formulieren.
Eine Fortbildung, die vor allem Praxis vermittelt
Die Qualifizierung zur Sprachförderkraft nach dem Konzept ‚Mit Kindern im Gespräch‘ unterscheidet sich deutlich von den bisherigen: „Waren die Fortbildungen früherer Konzepte vor allem auf den Wissenstransfer ausgelegt, stehen Teilnehmenden jetzt neun Tage intensive Arbeit – auch an sich selbst – bevor,“ schmunzelt Kammermeyer. „Der Schwerpunkt liegt auf Praxis und Handlungskompetenz. Es werden sofort einsetzbare Strategien der Gesprächsführung gelernt, die zu hoher Anregungsqualität führen.“
In den meisten Kitas in Rheinland-Pfalz ist das Konzept mittlerweile fester Bestandteil des Kindergartenalltags. „In den Grundschulen gibt es da noch Nachholbedarf“, sagt Goebel, zuständig für die Entwicklung des Sprachförderkonzeptes im Primarbereich. „Die Dauer der Fortbildung ist im Schulalltag oft schwierig abzubilden. Erfreulicherweise können wir ab sofort die Qualifizierungsmaßnahme auch den angehenden Lehrkräften anbieten, die am Studienseminar in Rohrbach ihr Referendariat absolvieren. So ist es in Zukunft möglich, sich während der Ausbildungszeit zu qualifizieren und gleich mit einem praktischen Werkzeug in den Berufsalltag zu starten“, freut sich Goebel.
Erprobung erfolgreich, jetzt folgt die Praxis
Das Konzept wurde in den vergangenen Jahren erfolgreich erprobt: 260 Fachkräfte aus dem Elementarbereich und 80 Lehrkräfte aus dem Primarbereich waren daran beteiligt. Seit 2017 ist ‚Mit Kindern im Gespräch‘ Landescurriculum und damit Grundlage für die Umsetzung der alltagsintegrierten Sprachbildung in rheinland-pfälzischen Kitas. Für die Grundschulen wurde die Bedeutung des Qualifizierungskonzeptes im Neun-Punkte-Plan der Landesregierung zur Stärkung der Basiskompetenzen in der Grundschule explizit hervorgehoben.
Nachdem die Projekt-Ära an der RPTU in Landau mit der Transfertagung ein erfolgreiches Ende feiert, geht es mit der Umsetzung durch Qualifizierungsmaßnahmen für Fach- und Lehrkräfte weiter. „Das Projekt zieht jetzt zur weiteren Entwicklung ans Pädagogische Landesinstitut“, erzählt die Professorin. „Dabei geht keine Kompetenz verloren, denn meine beiden langjährigen Mitarbeiterinnen Patricia Goebel und Sarah King ziehen mit“, freut sie sich. Das sei, neben der langen Laufzeit des Projektes, eine weitere Besonderheit und sichert den Transfer in die Praxis.
Auf der Transfertagung, mit der sich Gisela Kammermeyer gleichzeitig in den Ruhestand verabschiedete, zeigte sie am Beispiel des BiSS-Projekts, wie der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis gelingen kann und dass der kontinuierliche Austausch zwischen Akteuren aus Praxis, Wissenschaft und Bildungsadministration zentral für den Erfolg sind. Gemeinsam mit Professor Marcus Hasselhorn vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und -information stellte sie die Ergebnisse der langjährigen Forschung vor und bot gemeinsam mit dem Projektteam in Workshops Einblicke in das Fortbildungskonzept ‚Mit Kindern im Gespräch‘. Währenddessen ist das Erfolgsmodell längst in der Praxis angekommen: Dieses Jahr haben beispielsweise die ersten 58 Absolventinnen und Absolventen die Erzieherfachschule mit dem Zusatzzertifikat Sprachförderfachkraft nach dem in Landau entwickelten Konzept abgeschlossen.
Text: Miriam Tsolakidis