Themenbereich, Forschungskonzept und -ziele
Die Vernetzung und durchgängige Nutzung des Daten- und Informationsflusses entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens vom Entwurf über die Konstruktion, Vorfertigung der Teilsysteme und Montage bis zum Betrieb von Bauprojekten und deren Integration in den Bauprozess bietet erhebliche Potenziale zur Realisierung sicherer, wirtschaftlicher und ressourcenschonender Bauweisen der Zukunft. Diese „Exzellenz in der Anwendung“ steht im Fokus der Initiative. Sie ist von hoher Bedeutung für die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Aufgabe der Ingenieurwissenschaften. An der RPTU sind hier umfangreiche Kompetenzen in der Bauforschung vorhanden.
Dem Querschnittsthema „Automatisierung und Digitalisierung“ liegen die Basistechnologien der intelligenten, vernetzten, kollaborativen eingebetteten Systeme zugrunde, mit deren Hilfe digitale Daten und Datenmodelle gewonnen und verarbeitet werden. Auch zu diesem Thema wird an der RPTU intensiv geforscht.
Die digitale Transformation des gesamten Bauprozesses einschließlich der Zustandsüberwachung, Schädigungsdetektion und der sicheren und dauerhaft verfügbaren Dokumentation stellen eine große aktuelle gesellschaftliche Herausforderung dar, die erhebliches Potenzial bei der Ressourceneffizienz, der Energiewende und Verfügbarkeit von Wohnraum und weiterer Infrastruktur in sich trägt.
An der RPTU und den Instituten sind damit die notwendigen Forschungskompetenzen vorhanden, um den nächsten Schritt zu gehen: durch die fachbereichsübergreifende Verbindung der an der RPTU vorhandenen Kompetenzen unter Einbindung der Institute DFKI sowie Fraunhofer IESE und ITWM und unter gleichzeitiger Konzentration auf die Baustelle der Zukunft erreicht der Potenzialbereich ein Alleinstellungsmerkmal der bauorientierten Ingenieurforschung an der RPTU.
Die Baustelle der Zukunft wird durch eine industrielle flexible Vorfertigung von komplexen, standardisiert vorgefertigten Bauteilen und deren automatischer Assemblierung unter Verwendung von Automatisierungseinrichtungen und Datenmodellen gekennzeichnet sein. Automatisierte Bauproduktionsbetriebe können eine hohe Variantenvielfalt mit einem breiten Bauteilsortiment bedienen und so der Massenindividualisierung im Bauwesen gerecht werden.
Die (teil-)automatisierte Errichtung von Bauwerken setzt voraus, dass vorgefertigte Bauteile auf der Baustelle in einem industrialisierten und digitalisierten Prozess automatisiert gefügt werden können. Dies begründet einen im tradierten, handwerklich ausgerichteten Bauen nicht bestehenden Präzisionsanspruch sowie die digitale Verfügbarkeit aller notwendigen Informationen. Ebenso ist es auch notwendig, Materialien weiterzuentwickeln und neue Fügetechniken zu erdenken, die strukturadaptiv sind und möglichst wenige, motorisch einfache Prozesse erfordern. Von zentraler Bedeutung für das vertiefte Verständnis von Werkstoffen, Bauteilen und Fügungen bei hohem Detailierungsgrad ist in diesem Zusammenhang der Einsatz des allerdings absehbar erst ab 2021 zur Verfügung stehenden Großcomputertomographen, der eine weltweit einmalige Untersuchung des Trag- und Verformungsverhaltens neuartiger, kraftfluss-orientierter Befestigungs- und Fügeelemente ermöglichen soll und dessen intensive Nutzung zur internationalen Sichtbarkeit des Potenzialbereiches erheblich beitragen wird.
Ein Folgenutzen der gesteigerten Präzision besteht in der Einsparung von toleranzausgleichenden Unterkonstruktionen, die heute als Bindeglied zwischen Bauteilen unterschiedlicher Gewerke zum Einsatz kommen. Das Monitoring und die Zustandsüberwachung der Struktur über den gesamten Lebenszyklus wird mithilfe digitaler Modell und Sensoren realisierbar.
In der Ingenieurallianz werden damit ausgewählte Themenfelder bisheriger Forschungsschwerpunkte der RPTU neu verknüpft, durch die fachbereichsübergreifende Kooperation für die Anwendung im Fertigungsprozess auf der Baustelle neu kombiniert und fokussiert. Damit soll das Themenfeld der digitalisierten Prozesskette mit Planung, automatisierter Fertigung mit dem eindeutigen ingenieurgetriebenen Fokus „Assemblierung auf der Baustelle“ bis hin zur Datennutzung in der Überwachung und im Betrieb im Rahmen des digitalen Bauens in der fachbereichsübergreifenden Ingenieurforschung etabliert werden. Während die gesamte horizontale Kette von der Planung bis zur Nutzung der Gebäude betrachtet wird, soll auch die vertikale Skalierung von der Simulation über das Labor und kleinmaßstäbliche Experimente bis hin zur großmaßstäblichen Demonstration abgedeckt werden. Die Ingenieurallianz widmet sich somit dem Querschnittsthema „Automatisierung“, das in den Ingenieurwissenschaften ein hohes Zukunftspotenzial besitzt sowie seiner Anwendung und Umsetzung in spezifisch ingenieurtechnischen Fragestellungen, in denen die RPTU in vielen Einzelfeldern bereits seit vielen Jahren ein eigenständiges Profil besitzt.
Zur Entwicklung und Implementierung automatisierter Assemblierungsprozesse sind sowohl bautechnische und fügetechnische Innovationen als auch die Adaptierung und Weiterentwicklung automatisierungstechnischer Fähigkeiten erforderlich. Auch die digitalen Datensysteme sind im Hinblick auf die Wertschöpfungskette Bau im Allgemeinen sowie auf die Assemblierung und Qualitätssicherung auf der Baustelle im Besonderen weiter zu entwickeln. Durch die Kombination dieser Innovationen und die Weiterentwicklung bekannter Technologien wird dann als eigentliche disruptive Innovation der Wandel der Baustelle weg vom handwerklichen Produktionsort hin zur automatisierten Assemblierung erreicht.
Bisherige Forschungsansätze des Bauwesens in der Grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung hatten zunächst den Planungsprozess (BIM – Building Information Modeling) und neuerdings auch den automatisierten Fertigungsprozess (z. B. DFG-SPP 2187 Adaptive Modulbauweisen mit Fließfertigungsmethoden – Präzisionsschnellbau der Zukunft) zum Gegenstand. Hier eröffnet sich mit der Baustelle der Zukunft – Automatisierung und Digitalisierung für die Ingenieurforschung der RPTU ein neues Forschungsfeld, das im nationalen und internationalen Umfeld in der Kooperation der verschiedenen beteiligten Ingenieurdisziplinen ein Alleinstellungsmerkmal darstellt und die Sichtbarkeit der RPTU deutlich erhöht.
Durch die Einwerbung verschiedener DFG-Großgeräte, insbesondere der mit 10,9 Mio. EUR DFG-Fördergeldern verbundenen DFG-Großgeräteinitiative Computertomograph sowie Investitionen aus freien Drittmitteln wurden die experimentellen Voraussetzungen geschaffen, diese neue Herausforderung anzugehen. Durch diese Ausstattung ist die RPTU auch für viele andere Forschungseinrichtungen ein potenzieller Partner insbesondere in der experimentellen Forschung. Ein Forschungsfreigelände wird erforderlich, um die Neuentwicklungen auch in der praktischen Anwendung testen und demonstrieren zu können.