AMBIVALENTE AUSSICHTEN: DONALD TRUMP GEWINNT DIE US-WAHL

Von Sascha Werthes

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird! Aber wird uns das servierte Essen schmecken?

Nun ist es sicher, dass Donald J. Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt wurde und überall auf der Welt fragt man sich, was dies für die US-amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik bedeuten wird. Sicherlich ist es noch zu früh, seriöse Aussagen über die zukünftige Außen- und Sicherheitspolitik zu machen, aber für ambitionierte friedenspolitische Erwartungen gibt der Ausgang der Wahlen keine Hoffnung. Friedenspolitisch scheint das Essen vorerst versalzen.

Der über die mediale Berichterstattung vermittelte Eindruck von Trump ist der eines unkonventionellen Präsidentschaftskandidaten. Kernige chauvinistische Sprüche, vermischt mit einer konfrontativen „Hau drauf“-Rhetorik und einer zur Schau gestellten Hauruckmentalität („Make America Great Again!“), waren sein Markenzeichen im Wahlkampf. Im Sinne eines machiavellistisch agierenden Opportunisten hat er hierbei offensichtlich die Zeichen der Zeit erkannt. Ein großer Teil der US-amerikanischen Gesellschaft – und vielleicht nicht nur dieser – möchte sich von einer scheinbar saturierten politischen Elite distanzieren und dies scheinbar um jeden Preis. Ob ein populistischer Präsident, wie Donald J. Trump es wohl sein wird, am Ende dieses Bedürfnis nach einem politischen Wandel und die vielen Erwartungen sowie Hoffnungen befriedigen kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Innen- wie außenpolitisch wird er am Ende vielleicht doch mehr diplomatischen Pragmatismus an den Tag legen müssen, als man es im Moment erwarten mag.

Wie viel Wandel, wie viel Kontinuität in der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik sollten wir erwarten?

„Peace through strength“ ist das außen- und sicherheitspolitische Credo mit dem Donald Trump seine außenpolitische Vision umschreibt.[1] Gemeint ist vor allem eine möglichst dominante militärische Stärke der USA zur Interessendurchsetzung, was sich wohl auch in einem steigenden Verteidigungsbudget wiederspiegeln wird. Eine republikanische Mehrheit im Kongress eröffnet hierfür zumindest die Möglichkeit. Trumps Vision einer militärisch starken USA geht jedoch nicht mit einer Vorstellung der USA als aufgeklärter Führungsmacht oder gar eines „friedenspolitisch engagierten Weltpolizisten“ einher – wie wünschenswert eine solche Rolle am Ende auch immer sein mag. Vielmehr soll die militärische Stärke durchaus als repressives Mittel zum Zwecke einer interessengeleiteten Sicherheitspolitik verstanden werden. Mit einer Fortführung der völkerrechtswidrigen Praxis gezielter Tötungen mit Kampfdrohnen als Teil der militärischen Strategie im weltweiten Kampf gegen den transnationalen Terrorismus ist hier wohl zu rechnen. Auch wird Trump im Umgang mit dem sogenannten Islamischen Staat und anderer (islamistischer) terroristischer Organisationen auf eine explizite militärische Strategie setzen. So heißt es denn auch in der Beschreibung seiner Strategie zur Bekämpfung des IS: „My Administration will aggressively pursue joint and coalition military operations to crush and destroy ISIS, (…). Military, cyber and financial warfare will be essential in dismantling Islamic terrorism“.[2] Als Partner im priorisierten Ziel, die Ausbreitung des radikalen Islam („Radical Islam“) aufzuhalten, ist Trump letztlich jeder als möglicher Verbündeter recht; so lange eine Übereinstimmung in den Zielen gewährleistet ist. Diktatoren, Autokraten und autoritäre Regime sind hierbei dann ungeachtet ihrer eigenen rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Performance ebenfalls willkommene und  geeignete Alliierte: „All actions should be oriented around this goal, and any country which shares this goal will be our ally. We cannot always choose our friends, but we can never fail to recognize our enemies“.[3]

Diese und viele andere Bemerkungen in seinen Wahlkampfreden haben schon jetzt die europäischen Alliierten verunsichert und werfen einen ersten Schatten auch auf die deutsch-amerikanischen und die innereuropäischen Beziehungen. Trumps Wahlsieg hat schon jetzt die altbekannten Überlegungen zu einer „Europäischen Armee“ wiederbelebt.[4] Käme es dazu, würde dies wohl leider auch konstruktive Akzente  in einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik gefährden, die sich vielfach eher darum bemüht, mit eher nicht militärischen Mitteln Konfiktdynamiken zu beeinflussen. Mit größeren und notwendigen zusätzlichen Mitteln für Initiativen und zum Aufbau von Strukturen für Frühwarnung und Krisenprävention oder gar für Maßnahmen der zivilen Konfliktbearbeitung  bräuchte man dann wohl nicht mehr rechnen. Andererseits, wenn Trumps Ansicht, „verschärfte Verhörmethoden“ wie Waterboarding als legitime Mittel eines Rechtsstaats im Umgang mit Terrorverdächtigen zu begreifen, wieder verstärkt angewandte Praxis werden sollte, dann würden die Spannungen über eine Sicherheitspolitik in der der Zweck jegliches Mittel heiligt, doch hoffentlich am Ende  wieder offensichtlicher zu Tage treten. Ob sich dann eine deutsch-amerikanische Freundschaft noch auf eine gelebte Wertgemeinschaft beziehen könnte, müsste spätesten dann infrage gestellt werden. Innereuropäisch wird es allerdings wohl leider auch nicht zu einer kollektiven Distanzierung gegenüber Trump kommen. Populistisch-nationalistische Kräfte innerhalb der EU werden sich durch Trumps Wahlsieg bestärkt sehen und sich am neuen Chef im Weißen Haus orientieren. Trump könnte damit gar zu einem weiteren zentrifugalen Impuls mit Sprengkraft für das Europäische Integrationsprojekt werden.

Aber wie sieht es mit einer von Trump in Aussicht gestellten Reduzierung US-amerikanischen Militärpräsenz im Ausland aus? Zumindest für Rheinland-Pfalz ist damit wohl vorerst nicht zu rechnen. Insofern – traurigerweise – wohl eher mit einer Fortführung oder gar Ausweitung der Praxis gezielter Tötungen mit Kampfdrohnen als Teil der militärischen Strategie im weltweiten Kampf gegen den transnationalen Terrorismus zu rechnen ist, bleibt wohl auch die Drohnenflug-Leitzentrale in Ramstein von großer Bedeutung. Die Ramstein Airbase ist einer der wichtigsten militärischen Stützpunkte der USA ausserhalb Amerikas und es ist davon auszugehen, dass dies bei einem Hardliner, wie sich Trump präsentiert, wohl auch so bleiben wird. „Peace through strength“ wird letztlich wohl auch heißen, militärische Stützpunkte für die Projektion militärischer Macht zu erhalten. Auch das in Weilerbach neu geplante und im Bau befindliche Militärkrankenhaus spricht dagegen, dass mit größeren Reduzierung der Truppenpräsenz in Rheinland-Pfalz in naher Zukunft zu rechnen ist. Dies ist bedauerlich, hätten doch so durchaus von im Wahlkampf geäußerten Ankündigungen von Trump friedenspolitische Impulse ausgehen können.  Ernst zunehmende Erwartungen einer Reduzierung der US-amerikanischen militärischen Präsenz, hätten einen politischen Handlungsdruck erzeugen können, wirtschaftliche Strukturreformen und Konversionsinitiativen anzugehen, um sich aus einer vermeintlichen ökonomischen Abhängigkeit von US-amerikanischer Militärpräsenz zumindest langfristig zu befreien.

Halten wir  vorerst fest. Zwei Dingen scheinen sich bisher abzuzeichnen. Erstens, die bisherige Wahlkampfrhetorik und Wahlkampfversprechen werden in weiten Teilen – jedoch nicht überall – in Europa als befremdlich und irritierend wahrgenommen. Man wird sich hier wahrscheinlich zunächst freundlich abwartend distanzieren. Die europäisch-amerikanische Freundschaft wird zumindest für eine gewisse Zeit nicht wirklich belastbar sein. Zweitens, langfristig wird wichtig sein, wen Trump in den Stab seiner Berater und in seine Administration aufnimmt. Wieviel am Ende dann von der Wahlkampfrhetorik übrigbleibt, wird schließlich darüber entscheiden, wie sich die diplomatischen Beziehungen entwickeln werden. Man wird eine pragmatische Arbeitsatmosphäre finden müssen. Wie groß der Handlungshorizont für eine konstruktive Zusammenarbeit dann sein wird, ist daher heute nur schwer vorhersagbar.

Objektiv betrachtet, ist eine „America first“-Politik nicht wirklich neu, sondern muss wohl eher als kontinuierliche Determinante einer US-amerikanischen Politik verstanden werden. In den von Trump geäußerten Beschreibungen kommt sie jedoch in einer ungewöhnlich harschen und konfrontativen, wenig konsensorientierten Rhetorik daher. Die US-amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik wird damit, wie bisher auch, stark interessengeleitet sein. Allerdings wird die interessengeleitete Politik sowie bestehende Vorbehalte gegenüber multilateralen Regeln und Organisationen viel weniger in diplomatischen Kalkülen und diplomatischer Rhetorik versteckt sein. Eine ausgeprägte interessengeleitete Außen- und Sicherheitspolitik wird damit viele multilaterale Initiativen im Umgang mit gegenwärtigen weltpolitischen Herausforderungen, wie Klimawandel, internationale Entwicklungszusammenarbeit oder auch in geopolitischen Konflikträumen, konterkarieren.

Ausblick

US-amerikanische Administrationen, insbesondere republikanische, haben sich schon immer schwer damit getan, zu akzeptieren, dass Staaten – auch Supermächte – die gegenwärtigen komplexen Problemlagen nicht unilateral, für sich alleine und ausschließlich zu ihrem eigenen Vorteil bewältigen können. In Zeiten einer zunehmenden Globalisierung und globalen Interdependenz bleiben multilaterale Regeln und Institutionen das vielversprechendste Programm, um Herausforderungen wie Klimawandel, globale Flüchtlings- und Migrationsbewegungen, Ressourcenfragen, Konflikte in geopolitisch strategisch wichtigen Regionen etc. konstruktiv zu bearbeiten. Auch Trump, so bleibt zu hoffen, wird sich am Ende dieser Einsicht nicht entziehen können. Und von da an, werden wir wahrscheinlich auch wieder viele altbekannte sogenannte Kontinuitäten einer US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik wieder erkennen.

Über die Autor*innen

Dr. Sascha Werthes ist Senior Lecturer im Arbeitsbereich Internationale Beziehungen und Außenpolitik an der Universität Trier. Von Mai 2018 bis August 2019 war er zudem Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft (DGfP). Von September 2014 bis Februar 2018 baute er als wissenschaftlicher Geschäftsführer die Friedensakademie RLP als wissenschaftliche Einrichtung der Universität Koblenz-Landau, auf und leitete diese. Zuvor war er als Lehrkraft für besondere Aufgaben (Hochdeputatsstelle) in den Arbeitsbereich „Internationale Institutionen und Friedensprozesse“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main unter der Leitung von Frau Professor Dr. Tanja Brühl integriert. Zwischen 2003 und 2013 war er unter anderem tätig am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen, am Lehrstuhl von Professor. Dr. Tobias Debiel für Internationale Beziehungen/Außen- und Entwicklungspolitik der Universität Duisburg-Essen, am Institut für Politikwissenschaft und am Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg. Im Rahmen des Student Exchange Programme in Human Security (SEPHS) war er zudem Gastdozent an der Université du Québec à Montréal (UQAM).