Friedensförderung durch Formalisierung? Perspektiven im Kleinbergbau

Von Christina Ankenbrand, Zabrina Welter und Nina Engwicht:

Environmental Peacebuilding umfasst die Etablierung von Sicherheit, die Förderung von guter Regierungsführung und die Verbesserung von Lebensgrundlagen. Dies soll im Kleinbergbau durch Formalisierung erreicht werden. Einerseits Existenzgrundlage für Millionen von Menschen im Globalen Süden, steht Kleinbergbau andererseits mit einer Vielzahl von sozialen und ökologischen Risiken in Verbindung. Ein Fokus auf die Verbesserung von Lebensgrundlagen ist entscheidend, um das friedensfördernde Potenzial von Kleinbergbau zu entfalten. Allerdings erzielen Formalisierungsmaßnahmen bisher insbesondere bei den Lebensbedingungen von Kleinbergleuten und betroffenen Gemeinden kaum Verbesserung – und tragen dadurch nicht zu einem nachhaltigen Frieden bei.

Kleinbergbau (engl. artisanal and small-scale mining, ASM) ist eine wichtige Lebensgrundlage für Millionen von Menschen im Globalen Süden. Mit einfachen, arbeitsintensiven Mitteln und einem geringen Grad an Mechanisierung bauen Kleinbergleute mineralische Rohstoffe aus Lagerstätten ab, die häufig für den industriellen Bergbau ungeeignet sind. Die weitgehend informelle Industrie ist dabei für viele Entwicklungs- und Schwellenländer ein zweischneidiges Schwert. Einerseits schafft Kleinbergbau für viele Haushalte eine Lebensgrundlage und stellt eine wichtige Strategie zur Armutsbekämpfung und Diversifizierung der Einkommen in ländlichen Gemeinden dar. Andererseits wird Kleinbergbau aber auch mit bewaffneten Konflikten, organisierter Kriminalität, Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltzerstörung in Verbindung gebracht. Die Rolle sogenannter „Konfliktdiamanten“ beim Schüren von Bürgerkriegen in Angola, Sierra Leone und Liberia wurde zueinem prominenten Beispiel für die Probleme, die mit dem Kleinbergbau einhergehen können. 

Lange Zeit wurde die Rolle des Kleinbergbaus für die Etablierung von nachhaltigem Frieden wenig beachtet. Vielmehr wurde der Sektor als problematisch wahrgenommen und mit Konflikten, menschlicher Unsicherheit und schlechter Regierungsführung in Verbindung gebracht. Dies führte zu Interventionen, die besonders von der Internationalen Gemeinschaft gefördert wurden und vor allem darauf abzielten, Konfliktfinanzierung mithilfe von illegalem Rohstoffhandel zu verhindern. Dies sollte in erster Linie durch die Verbesserung der staatlichen Kontrolle und die Förderung eines transparenten und rechenschaftspflichtigen Ressourcenmanagementsgeschehen. Das sicherlich berühmteste Beispiel in dieser Hinsicht ist das Kimberley-Prozess-Zertifizierungssystem (KPCS) – eine globale Multi-Stakeholder-Initiative, die verhindern soll, dass der Handel mitDiamanten zur Finanzierung von Rebellengruppen beiträgt. Es verlangt von den teilnehmenden Exportländern, umfassende Kontrollen im Diamantenabbau und -handel zu etablieren und ein Herkunftszertifizierungssystem zu entwickeln. Wie die meisten anderen anfänglichen Interventionen im Rohstoffsektor zum Staats- und Friedensaufbau ignorierte das KPCS jedoch weitgehend die Bedeutung von verbesserten Lebensbedingungender im Kleinbergbau tätigen und vom Kleinbergbau betroffenen Bevölkerung für die Bekämpfung von Konfliktursachen und die Schaffung eines dauerhaften Friedens. In jüngerer Zeit verändert sich diese Perspektive jedoch zunehmend. Insbesondere Expert*innen im Feld des Environmental Peacebuilding, die sich mit Friedensförderung im Umwelt- und Ressourcenbereich beschäftigen, betonen die Bedeutung von Lebensgrundlagen zur Bekämpfung von Konfliktursachen wie Armut, Arbeitslosigkeit und sozioökonomische Ungleichheit. 

Formalisierung im Kleinbergbau: zu welchem Zweck? 

Die Formalisierung des Kleinbergbaus ist zu einem wichtigen Reforminstrument im Rohstoffsektor geworden. Allgemein definiert als die Integration informeller Bergbauaktivitäten in einen formalen Rechtsrahmen, wird die Formalisierung des Kleinbergbaus als entscheidendes Werkzeug gehandelt, um die Herausforderungen des Sektors – insbesondere in Nachkriegsgesellschaften – zu adressieren. Anfangs waren Formalisierungsansätze in erster Linie auf die Legalisierung im Kleinbergbausektor fokussiert. Sie konzentrierten sich hauptsächlich darauf, die Finanzierung von Konflikten zu verhindern, die staatliche Kontrolle zu erhöhen und Transparenz herzustellen. Prozesse zur Lizenzierung, Registrierung und Rückverfolgung wurden als die notwendigen Maßnahmen angesehen, um Informalität einzudämmen und die Professionalisierung des Kleinbergbausektors zu fördern. Tatsächlich hat dieser „legalistische“ Ansatz zur Formalisierung jedoch zu unbefriedigenden Ergebnissen in Bezug auf die mit dem Kleinbergbau verbundenen sozialen und ökologischen Probleme geführt. Er hat auch wenig Anreize für Akteure im Kleinbergbau geschaffen, den Formalisierungsprozess mitzutragen. Das KPCS zum Beispiel forcierte die Formalisierung in den Produzentenländern mit Schwerpunkt auf Lizenzierung,Überwachung und Rückverfolgbarkeit. Es zeigte sich jedoch, dass sich die Lebensbedingungen der Akteure im Kleinbergbau am Anfang der Lieferkette nicht verbesserten. Darüber hinaus trägt die Formalisierung des Kleinbergbaus oft unbeabsichtigt dazu bei, Akteure auszuschließen, die sich die direkten und indirekten Kosten der Formalisierung nicht leisten können. Damit steigt das Risiko, Ungleichheit zu institutionalisieren, ohne dasszugrundeliegende Konfliktursachen adressiert werden. In der Folge häufen sich die Forderungen nach einem anderen Ansatz zur Formalisierung, der die Realitäten und Bedürfnisse der Bergbaugemeinden berücksichtigt und die Lebensbedingungen verbessert. So beachtet mittlerweile eine steigende Zahl von Formalisierungsplänen das Potenzial des Kleinbergbaus zur Schaffung von Einkommensmöglichkeiten sowie die daraus resultierende Notwendigkeit von Maßnahmen, die die Bedürfnisse von Kleinbergleuten und ihren Gemeinden berücksichtigen. 

Neuere Ansätze verstehen Formalisierung als einen Prozess, der Staatsakteure sowie Akteure im Kleinbergbau unterstützt und befähigt, schrittweise die notwendigen Genehmigungen und Kompetenzen zu erlangen, damit Kleinbergbau in Übereinstimmung mit nationalen Vorschriften und internationalen Standards durchgeführt wird. Formalisierung soll sicherstellen, dass Richtlinien umgesetzt, durchgesetzt und überwacht werden, dass Akteure im Kleinbergbau lizenziert und in repräsentativen Einheiten organisiert sind und dass sie die technische, administrative und finanzielle Unterstützung erhalten, um ihre Gewinne steigern und Vorschriften einhalten zu können. Der zentrale Gedanke dabei ist, dass nur ein inklusiver und ganzheitlicher Ansatz zur Formalisierung sowohl die negativen Auswirkungen von Kleinbergbau abmildern als auch sein Potenzial zur Schaffung von Einkommensmöglichkeiten fördern kann – was letztlich notwendig ist, um zu einem Frieden beizutragen, der mehr ist als die Abwesenheit von ressourcenfinanzierter Gewalt. 

Formalisierung des Kleinbergbaus in den Diamantensektoren Liberias und Sierra Leones: Plus ça change…? 

In Liberia und Sierra Leone haben die Schwächen eines legalistischen Ansatzes zur Formalisierung des Kleinbergbaus in jüngster Zeit zu ganzheitlicheren Formalisierungsplänen geführt, die die Bedeutung des Kleinbergbaus als Lebensgrundlage berücksichtigen und Anreize für die Einhaltung von Vorschriften schaffen. In der Praxis hat sich die Umsetzung jedoch bisher als weitgehend unwirksam erwiesen. In unserem kürzlich erschienenen Artikel untersuchen wir drei Formalisierungsmaßnahmen im Diamantenkleinbergbau auf ihre Auswirkungen bei der Verbesserung der Lebensgrundlagen von Arbeiter*innen im Kleinbergbau und umliegenden Gemeinden: Kooperativen, Zertifizierungsinitiativen für einen ethischen Diamantenabbau und einen vom legalen Diamantenabbau abhängigen Gemeindeentwicklungsfonds. Unsere Forschung zu den drei Initiativen zeigte keine wesentlichen Auswirkungen auf die Einkommenssicherheit, die Arbeitsbedingungen oder die Entwicklung in den Bergbaugemeinden – drei Wege, durch die Formalisierung zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen beitragen könnte. Traditionelle Formen der Arbeitsorganisation, ungleiche Gewinnaufteilung und die finanzielle Abhängigkeit von Zwischenhändlern schienen kaum verändert. Vielmehr schienen einige der Initiativen im Laufe ihrer Umsetzung ihren anfänglichen Fokus auf die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen verloren zu haben und stattdessen die Legalität und Rückverfolgbarkeit desDiamantenabbaus und –handels zu priorisieren. 

Die Herausforderungen bei der Schaffung spürbarer Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen durch Formalisierung sind beträchtlich, selbst wenn Formalisierungspläne speziell auf die Bedürfnisse der Bevölkerung in Kleinbergbau-Gebieten ausgerichtet sind. Letztlich stößt die Umsetzung meist auf lokale Realitäten, einschließlich bestehender Formen der Arbeitsorganisation und lokaler Verwaltungsstrukturen sowie sozioökonomischer Ungleichgewichte, die diese kennzeichnen. Wenn Formalisierung jedoch zur Friedensförderung beitragen soll, darf die Umsetzung nicht auf ein enges Verständnis von Formalisierung zurückfallen, sondern muss mit einem Fokus auf die tatsächlichen Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Akteure und Gemeinden im Kleinbergbau durchgeführt und evaluiert werden. 

 

Die Autorinnen danken der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) für die Unterstützung ihrer Forschung im Rahmen des Forschungsprojekts „Natural Resource Governance and Human Security in Post-Conflict Societies“. Der Blogbeitrag basiert auf dem im Januar 2021 erschienenen Artikel „Formalization as a tool for environmental peacebuilding? Artisanal and small-scale mining in Liberia and Sierra Leone“.

 

Dieser Beitrag erschien als Erstveröffentlichung auf Englisch auf dem International Affairs Blog. Wir bedanken uns für die Erlaubnis zum Repost.

Über die Autor*innen

Christina Ankenbrand arbeitet als Beraterin im Programm „Rohstoffe und Entwicklung“ bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und ist Associate an der Friedensakademie Rheinland-Pfalz. Von 2017 bis 2020 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedensakademie, wo sie den Forschungsschwerpunkt „Umwelt- und Ressourcenkonflikte“ unterstützte. 

Zabrina Welter ist Doktorandin am Lehrstuhl für Sustainability Governance an der Universität Freiburg. Sie ist außerdem Associate an der Friedensakademie Rheinland-Pfalz und am Arnold Bergstraesser Institut in Deutschland. 

Dr. Nina Engwicht arbeitet als Dozentin an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung am Fachbereich Kriminalpolizei. Von 2015 bis 2019 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedensakademie Rheinland-Pfalz, wo sie den Forschungsschwerpunkt „Umwelt- und Ressourcenkonflikte“ unterstützte.