Konflikte um den Demokratieort Neustadt - Kommunale Konfliktberatung als Potential?

Von Annalena Groppe

Am 28. Mai fand in Neustadt an der Weinstraße ein Demokratiefest zur Erinnerung an das Hambacher Fest 1832 statt. Es ist einerseits Vorbereitung auf die 200 Jahr Feier, die in zehn Jahren ansteht. Andererseits ist es Teil einer Reihe von Maßnahmen, um Vereinnahmungen der regionalen Historie im Sinne demokratiefeindlicher Positionen zu begegnen. Sowohl im Stadtzentrum als auch auf dem Hambacher Schloss hatten zahlreiche zivilgesellschaftliche und kommunale Akteur:innen Programmpunkte zum Erleben und Feiern von Demokratie vorbereitet. Doch das Fest zeigte ungewollt aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen innerhalb des Demokratischen, wie auch an dessen Grenzen, auf.

Eine Gruppe, die sich ‚die Weißen‘ nennt, formierte mit weißer Kleidung als Erkennungszeichen eine zuvor untersagte Demonstration mit 3.000 Menschen zum Schloss. Neben Reichsbürger-Flaggen, Systemfeind-T-Shirts und historische Analogien zum Vormärz und der NS-Zeit, die Grundpfeiler der Demokratie infrage stellten, waren Plakaten mit Interessen von Berufsgruppen (z.B. Landwirte) oder mit beziehungsbezogenen Bedürfnissen (z.B. Liebe, Zuhören, Frieden) zu sehen. Die Versammlungsbehörde der Stadt Neustadt stufte den zuvor untersagten Demonstrationszug „im Sinne einer gelebten Demokratie“ als Versammlung ein und duldete dessen Zusammentreffen mit den Teilnehmenden des Demokratiefests am Hambacher Schloss. Folgenhaft waren die blockierten Zugangswege für Busse und wandernde Festbesucher:innen, sodass Programmpunkte auf dem Schloss nicht stattfinden konnten. Schließlich wurden zivilgesellschaftliche Gruppen, wie die Omas gegen Rechts, die Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt und das regionale Bündnis gegen Rechts aufgefordert ihre Stände abzubauen, um „nicht zu provozieren“. Die Atmosphäre war bedrohlich, es gab verbale Anfeindungen und antisemitische und holocaustrelativierende Parolen.

Landes- wie Kommunalpolitik sowie Stadt- und Schlossverwaltung werden nun kritisiert, in Sicherheitsfragen und der ihnen zugrunde liegenden politischen Strategie „unvorbereitet gewesen“ zu sein. Auch zivilgesellschaftliche Gruppen fragen sich: „Was hätten wir anders machen können?“ Neben dem Ruf nach umso mehr Veranstaltungen und einer wirkmächtigeren Mobilisierung von demokratischen Stimmen wird auch über eine Aufarbeitung der Ereignisse und Überarbeitung des Konzepts  nachgedacht.

Die Bearbeitung solcher durch gesellschaftlichen Wandel bedingter Konflikte, in denen viele unterschiedliche Akteur:innen involviert sind, und die zunehmend in Richtung Gewalt eskalieren, können durch eine Intervention von außen profitieren (Glasl, 2008)1. Eine solche Rolle nehmen Aktereur:innen der kommunalen Konfliktberatung ein. Ich richte den Blick in diesem Beitrag darauf, was kommunale Konfliktbearbeitung in dieser Situation leisten kann und was ihre Grenzen sind.

Grundsätze kommunaler Konfliktberatung

Die kommunale Konfliktbearbeitung bietet einen grundlegenden Perspektivwechsel an: Sie betrachtet Geschehnisse, wie beim Demokratiefest, nicht (ausschließlich) als Störung, Vereinnahmung oder Ausschluss im Sinne eines Sicherheitsproblems, sondern als Konfliktepisode, der verschiedene Interessen, Positionierungen und Beziehungsdynamiken zugrunde liegen. Solche Konflikte zu bearbeiten ist somit weniger notwendiges Übel, sondern kann dazu beitragen, gesellschaftlichen Wandel integrativ zu gestalten (Weller, 2013).

Kommunale Konfliktberatung ist dabei keine Weiterbildung oder Dienstleistung, die ‚fertige‘ Rezepte und Lösungen in einer Kommune umsetzt oder lehrt; sie arbeitet prozessorientiert. Voraussetzung ist eine Mandatierung durch eine Entscheidungsinstanz (z.B. Bürgermeister:in), die bestenfalls die gesamte Stadtgesellschaft repräsentieren kann. Zielgruppe der Beratungsleistung sind dann im Sinne des Grundsatzes der ‚Allparteilichkeit‘ möglichst vielfältige Schlüsselpersonen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Nach einer Phase der Vertrauensbildung werden unterschiedliche Perspektiven auf den Konflikt zusammengetragen, um daraus eine Konfliktanalyse anzufertigen. Basierend auf dem umfangreichen Verständnis der Situation, identifizieren die beteiligten Personen gemeinsam Handlungsmöglichkeiten. Sie erproben beispielsweise Formate wie Runde Tische oder Bürger:innen-Beteiligung, reflektieren bestehende Ausschlussmechanismen und entwickeln weiterführende Ideen, um Konfliktlinien aufzubrechen und bestenfalls für alle zum Positiven zu verändern. Dabei bauen sie auf bestehende funktionierende Instrumente und Strukturen auf, denn die Beratung ist grundsätzlich zeitlich begrenzt (Lustig et al., 2018).

Eine solche Konfliktberatung böte sich auch in Neustadt und Hambach an. Aufgrund der Vielzahl an beteiligten Akteur:innen und relevanter Themenfelder, ist der Konflikt von Komplexität geprägt, die sich durch eine Konfliktanalyse besser verstehen ließe. Zum Beispiel wäre es interessant herauszufinden, mit welchem spezifischen Blick die vielen Beteiligten von der Schlossverwaltung, über Kommunal- bis Landespolitik, Stadtverwaltung, lokale Zivilgesellschaft bis zur bundesweit adressierten Öffentlichkeit jeweils auf die Ereignisse schauen. Ebenso könnte gemeinsam inhaltlich betrachtet werden, inwiefern den Deutungskonflikten um die Demokratiegeschichte des Hambacher Schlosses, Fragen von Identität, Verlusterfahrungen oder -ängsten, ein Nährboden von Nationalismus ebenso wie strukturellen Beteiligungsdefizite zugrunde liegen (Groppe, 2021). Eine externe Prozessbegleitung unterstützt dabei, die begrenzte Wahrnehmung, die durch die lokale Eingebundenheit in Rollen und Muster entsteht, zu erweitern.

Gleichzeitig wird die vielfältige und kontextspezifische, bereits vor Ort existierende Expertise der unterschiedlichen Akteur:innen als zentrale Ressource verstanden. Ein Haupttätigkeitsfeld von kommunalen Konfliktberater:innen ist deswegen die Stärkung und Erweiterung von kommunalen Netzwerken (Gatzemeier & Berndt, 2022).  Ganz konkret könnte sich hieraus als Handlungsoptionen für die Stadt Neustadt ergeben, zivilgesellschaftliche Gruppen schon in der Planung der kommenden Demokratiefeste stärker zu beteiligen. Gestaltungsmacht kann dabei weit über Biertischgarnituren mit Info-Flyern hinausreichen, z.B. von der gemeinsamen Entscheidung, welche Redner:innen zu welchen Themen auf den großen Bühnen sprechen sollen bis hin zur Frage, wo die Bühnen stehen und welche Maßnahmen man in Hinblick auf Gegendemonstrierende ‚mittragen‘ kann. Die Gruppenzusammensetzung (Mit wem können wir arbeiten? Wer möchte gar nicht kooperieren?) ist dabei selbst Gegenstand des demokratischen Prozesses, wie im Abschnitt über die Grenzen des Ansatzes noch reflektiert wird.  

Kommunale Konfliktbearbeitung kann und will hierbei keine politischen Positionierungen und Entscheidungen ersetzen. Das politische Mandat, Maßnahmen zu beschließen, verbleibt bei den Verantwortungsträger:innen. Allerdings kann kommunale Konfliktbearbeitung bei der Vorbereitung solcher Entscheidungen helfen, indem unterschiedliche Stimmen hörbar gemacht werden. Kommunale Konfliktbearbeitung nimmt lokale zivilgesellschaftlichen Akteur:innen als Expert:innen unterschiedlicher Lebenswelten wahr. Sie unterstützt bei der Identifikation und Reduzierung von strukturellen Barrieren, auf Grund derer die Gruppen nicht erreicht werden.

Wie sich eine breitere Beteiligung der Zivilgesellschaft auswirken kann, zeigt das Bühnenprogramm Gesicht zeigen – Demokratie leben, welches im Rahmen des Demokratiefestes von der Initiativgruppe #1832Hambach2022 organisiert wurde. Es verband migrantische und dezidiert politische Musiker:innen mit politikwissenschaftlichen Auseinandersetzungen in Vorträgen und einer Broschüre mit Beiträgen zur Vereinnahmung der Hambacher Demokratiegeschichte. Beides fügte den von der Stadt und Stiftung Hambacher Schloss eingeladenen (staatstragenden) Politiker:innen eine ergänzende Sichtweise hinzu. Das beschriebene Bühnenprogramm basierte dabei allerdings auf großem ehrenamtlichem Engagement und einem umfassenden Fundraising.

Externe Konfliktberatung könnte solches und ähnliches Potential gezielt unterstützen, z.B. indem sie ausschließende Teilhabebarrieren aufzeigt und bei der Suche nach Möglichkeiten zum Abbau dieser Barrieren unterstützt. Ob dies die Bereitstellung von finanziellen oder räumlichen Kapazitäten wäre oder Anpassungen des Konzepts (ein oder mehrere Veranstaltungsorte? Eher inhaltliche oder festliche Angebote?) würde sich aus dem gemeinsame Gestaltungsprozess ergeben. Sicherlich müsste außerdem für von Diskriminierung betroffene Gruppen wie Migrant:innen-Selbstorganisationen ein Konzept entwickelt werden,  um ihre körperliche, psychische und juristische Sicherheit zu gewährleisten –  insbesondere wenn man an Situationen, wie die Standräumungen und Beleidigungen am Schloss denkt. Nur so können auch vulnerable Gruppen es sich leisten, bei einer solchen Veranstaltung tragende Rollen einzunehmen.

Doch zeichnen sich hier auch schon einige Spannungsfelder der kommunalen Konfliktberatung in Konflikten um Demokratie in Neustadt ab: Wenn beispielsweise der Schutz marginalisierter Gruppen priorisiert wird, um ihre Beteiligung zu ermöglichen, zieht dies Ausschlüsse von Akteur:innen nach sich, die den Wert von Vielfalt und pluralen Lebensentwürfen ablehnen – eine vielfach geteilte Position unter ‚den Weißen‘. Inwiefern ist es also sinnvoll (und notwendig) die Organisationsriege und/oder Teilnehmende dieser Gruppierung in kommunale Konfliktbearbeitung einzubeziehen?  

Spannungsfelder der Kommunalen Konfliktberatung am Beispiel Neustadt

Grundsätzlich bietet die Kommunale Konfliktberatung auf diese Frage keine Rezeptlösung an, sondern unterstützt dabei, gemeinsam mit den Akteur:innen vor Ort, eine tragbare Umgangsweise zu entwickeln. Ihre grundlegende Haltung der Allparteilichkeit ist dabei nicht zu verwechseln mit Neutralität. Während letzteres ein objektive Außenposition suggeriert, sind sich Akteur:innen der Kommunale Konfliktberatung ihren eigenen Werthaltungen bewusst, sie machen diese transparent und somit auch diskutier- und kritisierbar. Diese schließt Teilnehmende ‚der Weißen‘ nicht grundsätzlich aus, steht aber für eine Sensibilität in Hinblick auf Machtverhältnisse und darin liegende Gewaltpotentiale.

Aus dieser Perspektive sind sind ‚die Weißen‘ nämlich im Diskurs tatsächlich eher überrepräsentiert – entgegen ihrer Selbstdarstellung als unterdrückte Minderheit: Dies wird sichtbar in ihrer durchaus machtvoll erzwungenen Zulassung als Versammlung beim Demokratiefest: der eigentlich untersagte Demonstrationszug zum Schloss ist nur aufgrund von Mobilisierungskraft möglich gewesen, die verbunden ist mit finanziellen und strukturellen Ressourcen ebenso wie diskursiver Dominanz.

Letztere zeigt sich beispielsweise in einer ersten Pressemitteilung von Stadtverwaltung und Polizei: darin war beispielsweise noch von einem „friedlich-fröhlichem Samstag“ die Rede – hierfür entschuldigten sich die Verantwortlichen später. Roger Lewentz, der Innenminister von Rheinland-Pfalz, fokussierte sich ebenfalls mehr auf die Sicherheit für die Mehrheitsgesellschaft, als auf den Minderheitenschutz, wenn er sagt „die Polizei […] hatte dabei ein Ziel: Dass es nicht zu Gewalttätigkeiten kommt.“ Auch die Regionalzeitung ‚Die Rheinpfalz‘ kommentierte die Ereignisse am Demokratiefest mit der Überschrift „Freiheit für alle“. Unbeachtet ließen diese Statements, dass Frieden und Freiheit dort endeten, wo andere angemeldete Akteur:innen verbal gedemütigt und bedroht wurden und schließlich das Schloss verlassen mussten.

Diese diskursive Dominanz darf wiederum nicht verwechselt werden mit einer tatsächlichen Mehrheit in der Bevölkerung: der kleine Anteil der Gesellschaft wird lediglich überdurchschnittlich laut wahrgenommen und abgebildet. Eine kommunale Konfliktanalyse würde also eher nahelegen, alternative – und somit potentiell transformative – Narrative zu stärken. Dem würde es widersprechen, beispielsweise Wolfgang Kochanek, Organisator der Demonstration der ‚Weißen‘, durch die Einladung zu einem Runden Tisch noch zusätzlichen Einfluss zu ermöglichen und dadurch vulnerable Gruppen die Teilnahme zu erschweren. Diese diskursive Verortung in Machtstrukturen schließt aber keinesfalls aus, dass es (lokale) Einzelpersonen unter ‚den Weißen‘ gibt, die von realen Teilhabebarrieren betroffen sind und eben deswegen Expert:innen für die kommunalen Konflikte um Demokratie in Neustadt sind. Bestenfalls werden diese durch Beteiligungsformate der kommunale Konfliktberatung – man könnte sagen –‚durch die Hintertür‘ erreicht. Denn solche Akteur:innen können den Brückenschlag ermöglichen, die kommunalen Manifestationen der ideologischen Konfliktlinien tatsächlich auf sachlicher Ebene bearbeitbar zu machen.  

Eine Konfliktanalyse hilft hier auch die Grenzen kommunaler Konfliktbearbeitung sichtbar zu machen. Denn viele der, auf der Demonstration sichtbaren politischen Forderungen, beziehen sich auf bundesweite Themen, die nicht an ihren Wurzeln auf kommunaler Ebene bearbeitet werden können. Beispielsweise hat der Stadtrat Neustadt kaum Entscheidungsbefugnisse in Hinblick auf die Corona-Schutzmaßnahmen, auf die sich die weiß gekleideten Demonstrierenden beziehen. Das ist keinesfalls eine unbedachte Strategie: Sie wählen bewusst den symbolischen Rahmen und adressieren mit ihren professionellen Video-Mitschnitten eine nationale digitale Öffentlichkeit. Hierfür wurde translokal über die Pfalz hinaus in Süddeutschland mobilisiert. Diese bundesweiten Konflikte werden nicht an den Wurzeln in Neustadt gelöst werden können.

Den Fokus auf kommunale Konfliktberatung zu setzten, hat somit den Preis, zu akzeptieren, dass ‚die Weißen‘ oder ähnliche Manifestationen, wie das sogenannte ‚Neue Hambacher Fest‘, wahrscheinlich nicht verdrängt, besiegt oder besänftigt werden können, sondern (lediglich) der kommunale und mediale Umgang damit verbessert werden kann. Dabei geht die kommunale Konfliktberatung davon aus, dass solch bundesweite Entwicklungen „vor Ort an ungelöste Konflikte andocken und diese verschärfen […],  wenn sie nicht konstruktiv angegangen werden“ (Gatzemeier & Berndt, 2022, S. 203). Umso relevanter ist die Aufarbeitung tatsächlich lokal bearbeitbarer Konflikte zwischen den betroffenen Akteur*innen vor Ort.

Empfehlenswert wäre es im Sinne eine Doppelstrategie zusätzlich auf kritische politische Bildung ebenso wie Aktivismus zu setzen, was aktuell bereits vielfach umgesetzt wird. Die Geschehnisse als Konflikt zu betrachten ist durchaus komplementär zu Ansätzen gegen Radikalisierung und rechter Ideologie (Groppe, in Veröffentlichung). Durch solche Strategien können kommunale Akteur:innen in ihrer exemplarischen politischen Positionierung Einfluss auf die symbolische, über die Region hinausweisende, Wirkung nehmen.

Kommunale Konfliktbearbeitung als Erfahrung gelebter Demokratie

Der Prozess, kommunale Konflikte gemeinsam zu bearbeiten, ist dabei bereits eine konkrete inhaltliche Gestaltung und Stärkung von lokaler Demokratie. Die bisherige Mobilisierungsstrategie für das Demokratiefest, basierend auf dessen Volksfestcharakter mit kulturellen und kulinarischen Angeboten, kann damit um stärkere inhaltliche Auseinandersetzung ergänzt werden. Beispielsweise eine gemeinsame Erarbeitung des Konzepts öffnet Raum für diverse Perspektiven auf Demokratie und stärkt gleichzeitig Ownership und Identifikation mit der Stadt und ihrem historischen Erbe. Dasselbe gilt für die Netzwerke zwischen unterschiedlichen Akteur:innen.  Denn dadurch wird dem symbolischen Erinnern an Demokratiegeschichte eine aktuelle politische Dimension hinzugefügt, die konkrete Relevanz für Bürger:innen hat. Nicht zuletzt wirkt all dies mobilisierend.

Wenn dann in den kommenden Jahren wieder ‚weiße Gegendemonstrant:innen‘ anreisen sollten, muss das Fest sich nicht mehr nur in Abgrenzung zu ihnen definieren, sondern die Beteiligten können stolz ebenso wie kritisch auf Prozesse in der eigenen Gemeinschaft blicken. Die externe Begleitung ermöglicht es, Konflikte zu analysieren und Kerngegenstände greifbar zu machen, um neue Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Sie lenkt den Blick zurück auf die eigenen konfliktiven Strukturen und ermöglicht so inhaltliche Klarheit, starke Partnerschaften, die plurale Demokratievorstellungen als Chance begreifen.

Es bedarf dann weniger eines demokratischen Meta-Narrativs, weniger Last liegt auf Schultern von Symbolfiguren wie Joachim Gauck, denn die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteur:innen und die tatsächliche Wertschätzung ihrer unterschiedlichen Perspektiven lässt demokratische Prozesse mit all ihren Potentialen und Grenzen erfahren. Das mag nicht verhindern, dass Menschen, die zum ‚Widerstand‘ anreisen, auch in Zukunft noch sichtbar sind. Aber die gemeinsame Gestaltung von Konfliktbearbeitungsmechanismen schafft eine Grundlage der Gemeinschaft in Neustadt und der Region, um tatsächlich ‚Mut zur Freiheit‘ zu zeigen. 

 

Fußnoten

1 Bei Eskalationsgraden von „3. Taten statt Worte!“ über „4. Sorge um Image und Koalition“ bis hin zu „5. Gesichtsverslust“ wird nach F. Glasl zu einer externer Prozessbegleitung geraten, da die Grenze der Selbsthilfe überschritten ist, sobald der Konflikt sich immer stärker als „Win-Lose“-Situation darstellt. Für Neustadt erscheint die Eskalationsstufe also noch rechtzeitig genug, um realistisch ebenso wie kosteneffizient auf Veränderungen hoffen zu können (Lustig et al., 2018).

Literatur

Gatzemeier, U., & Berndt, H. (2022). Integration und Teilhabe: Kommunale Konflikte als Aufgabe und Chance. In S. Hohnstein, S. Langner, M. Zschach, & Arbeits- und Forschungsstelle Demokratieförderung und Extremismusprävention (Hrsg.), Lokale Konflikte in der Migrationsgesellschaft: Konflikterscheinungen und Konfliktbearbeitung (S. 185–204). Deutsches Jugendinstitut. nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:3:2-882376

Glasl, F. (2008). Die Dynamik sozialer Konflikte und Ansätze zur Konfliktbehandlung. In R. Grasse, B. Gruber, & G. Gugel (Hrsg.), Friedenspädagogik: Grundlagen, Praxisansätze, Perspektiven (Orig.-Ausg, S. 123–139). Rowohlt-Taschenbuch-Verl.

Groppe, A. (2021). Peace Education in Polarizing Conflicts over Democracy. The Example of „Corona Protests“ in Germany. In C. Dany & A. Groppe (Hrsg.), Peace and the Pandemic. International Perspectives on Social Polarization and Cohesion in Times of COVID-19 (S. 6–15). www.uni-koblenz-landau.de/de/friedensakademie/medien/working-paper-peace-perspectives-1-peace-and-the-pandemic

Groppe, A. (forthcoming). Elicitive Peace Education in Polarizing Conflicts over Democracy. A Relational Perspective complementing Prevention of Radicalization. In D. Beck & J. Renner (Hrsg.), Radicalization and Collective Violence. Springer VS.

Lustig, S., Berndt, H., Dafeld, M., Ehrlich, S., & Wolf, J. (2018). Grundlagen der kommunalen Konfliktberatung ein Handbuch für Lehre und Weiterbildung. Forum Ziviler Friedensdienst e.V. katalog.ub.uni-freiburg.de/link

Weller, C. (2013). Konflikte in der pluralisierten Gesellschafft. Oder: Integration durch Konfliktbearbeitung. In M. Reder, H. Pfeifer, M.-D. Cojocaru, & A. Assmann (Hrsg.), Was hält Gesellschaften zusammen? Der gefährdete Umgang mit Pluralität. Kohlhammer.

Über die Autor*innen

Annalena Groppe ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedensakademie Rheinland-Pfalz und forscht zu Potentialen der Friedenspädagogik in polarisierenden Konflikten um Demokratie.