Sexuelle Minderheiten erleben in Alltagssituationen mehr Ausgrenzung

Lesbische, schwule und bisexuelle Menschen werden häufiger ausgegrenzt als heterosexuelle Personen. KI-generierte Abbildung.
Lesbische, schwule und bisexuelle Menschen werden häufiger ausgegrenzt als heterosexuelle Personen. KI-generierte Abbildung.

Lesbische, schwule und bisexuelle Menschen erfahren häufiger Ausgrenzung als heterosexuelle Personen. Das zeigt eine aktuelle Studie von Forschenden der Universität Basel und der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU). Häufiger ausgegrenzt werden demnach Menschen, die weniger geschlechtskonform wahrgenommen werden, so ein Ergebnis der Untersuchungen. Davon betroffen könnten auch heterosexuelle Menschen sein, wenn sie von klassischen Geschlechterrollen abweichen. 

In drei Studien mit insgesamt über 3.200 Teilnehmenden in Deutschland und den USA untersuchte das Forschungsteam die Ausgrenzungserfahrungen von sexuellen Minderheiten. Die erste Studie umfasste eine national repräsentative Stichprobe in Deutschland mit 2.609 Teilnehmenden. Hier fragten die Forschenden nach Erfahrungen von sozialer Ausgrenzung bei sexuellen Minderheiten und heterosexuellen Personen. In der zweiten Studie folgte das Forschungsteam 467 Personen über 14 Tage in ihrem Alltag und bat diese, Ausgrenzungserfahrungen mittels einer Smartphone-App zu dokumentieren. Die dritte Studie nutzte 10.760 Beurteilungen über die Wahrscheinlichkeit der Ausgrenzung von verschiedenen Personen basierend auf der Wahrnehmung ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsrollenkonformität. Den insgesamt 141 beurteilenden Personen wurden hierzu Fotos, Videos oder Stimmen von homosexuellen und heterosexuellen Menschen präsentiert. Auf einer siebenstufigen Skala mussten die Beurteilenden einschätzen, für wie wahrscheinlich sie es halten, dass diese Menschen ausgegrenzt werden.

„Sexuelle Minderheiten erfahren viele Formen von Gewalt und Diskriminierung“, erklärt Christiane Büttner, Sozialpsychologin an der Universität Basel, zu Ergebnissen aus bisherigen Untersuchungen. „Anders allerdings als bei offener Diskriminierung, die sichtbar und auch anfechtbar ist, kann Ausgrenzung subtil und damit schwer zu erkennen und zu beweisen sein." Genau das macht es für die Betroffenen schwierig, die Situation anzusprechen oder gar Unterstützung einzufordern. Ausgrenzung kann schmerzhafter sein als andere Formen der Diskriminierung, weil sie die grundlegenden Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Selbstwertgefühl angreift. Denn Menschen sind soziale Wesen und streben nach Zugehörigkeit – in sozialen Gruppen finden sie Sicherheit und Bestätigung. Evolutionspsychologisch gesehen ist Zugehörigkeit essenziell für das psychische Wohlbefinden. Bleibt dieses Bedürfnis langfristig unerfüllt, dann entstehen Gefühle von Isolation, Hoffnungslosigkeit und ein verringertes Selbstwertgefühl. Sogar schwerwiegende psychische Probleme wie Angststörungen, Depressionen und Suizidalität können Folgen von sozialer Ausgrenzung sein. „Insbesondere wenn den Ausgegrenzten bewusst ist, dass sie aufgrund einer nicht veränderlichen Eigenschaft ausgegrenzt werden, wie etwa ihrer sexuellen Orientierung, können die Folgen verheerend sein“, unterstreicht Selma Rudert, Sozialpsychologin an der RPTU.

Subtile Form der Diskriminierung bislang wenig untersucht

Frühere Studien haben sich vorwiegend auf offensichtlichere Diskriminierungsformen gegen sexuelle Minderheiten konzentriert. Dazu zählen beispielsweise direkte Beschimpfungen. „Subtilere Formen wurden bislang weniger untersucht. Hier wollten wir eine Lücke schließen“, konkretisiert Büttner den Hintergrund der aktuellen Veröffentlichung.

Das Ergebnis: Lesbische, schwule und bisexuelle Menschen erfahren häufiger Ausgrenzung als heterosexuelle Personen. Laut den Forschenden erlebt jeder Mensch durchschnittlich zwei bis drei Ausgrenzungserfahrungen innerhalb von 14 Tagen, Angehörige sexueller Minderheiten im Schnitt eine Ausgrenzungssituation mehr. LGB-Menschen erfahren Ausgrenzung in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens, skizzieren die Forschenden – als Erkenntnis anderer Untersuchungen – das Gesamtbild: Sie werden beispielsweise am Arbeitsplatz von sozialen Aktivitäten ausgeschlossen oder in der Schule oder an Universitäten durch Mitschülerinnen, Mitschüler oder Lehrpersonal ignoriert und marginalisiert. Zu Veranstaltungen werden sie mitunter nicht eingeladen, ihre Beiträge werden in Gesprächen übergangen.

Ein Abweichen von der Geschlechterrolle macht ausgrenzbar

Die dritte Studie zeigt, dass die häufigere Ausgrenzung mit der Nichtkonformität von Geschlechtsrollen zusammenhängt. „Personen, die so wahrgenommen werden, als wichen sie von Geschlechternormen ab – unabhängig davon, ob sie es tatsächlich tun oder was ihre tatsächliche sexuelle Orientierung ist – werden häufiger ausgegrenzt“, schildert Sven Kachel, Psychologe an der RPTU. „Selbst wenn die Befragten die sexuelle Orientierung der zu beurteilenden Personen nicht kennen, schätzten sie jene Personen als ausgrenzbarer ein, die sie als weniger geschlechtskonform erlebten.“ Das heißt: Auch beispielsweise ein heterosexueller Mann, der als weniger maskulin wahrgenommen wird, läuft Gefahr, Ausgrenzung als subtile Form der Diskriminierung zu erfahren. Verletzungen tradierter Geschlechternormen werden dadurch sanktioniert und diese Normen bleiben bestehen. Mit ernstzunehmenden Folgen, so die Forschenden, denn das Festhalten an Geschlechternormen beeinträchtigt somit das psychische Wohlergehen eines erheblichen Teils der Bevölkerung.

Sensibilisieren und mehr Bewusstsein schaffen

Die Ergebnisse legen insgesamt nahe, dass mehr proaktive Maßnahmen erforderlich sind, um gegen Ausgrenzung als subtile Art von Diskriminierung in allen Gesellschaftsbereichen zu sensibilisieren, so die Forschenden. Ein Ansatz: Im Rahmen des sogenannten Pride Month wird mithilfe verschiedener Aktionen auf die Anliegen der LGBTQ+-Gemeinschaft aufmerksam gemacht.

„Organisationen und Bildungseinrichtungen sollten darüber hinaus spezifische Programme und Trainings etablieren, um Bewusstsein zu schaffen und ein inklusives Umfeld zu fördern“, empfehlen die Autorinnen und Autoren der Studie. Auf gesellschaftlicher Ebene könnten Kampagnen zur Förderung von Vielfalt und Inklusion helfen, Stereotype und Vorurteile abzubauen.

 

Die Studie:

Büttner, C.M., Rudert, S.C., & Kachel S. (2024). Ostracism experiences of sexual minorities: Investigating targets' experiences and perceptions by others. Personality and Social Psychology Bulletin, 1461672241240675. Advance online publication. https://doi.org/10.1177/01461672241240675

 

Ansprechpartner:

Universität Basel
Christiane M. Büttner
E-Mail: c.buettner[at]unibas.ch
Tel.: +41 61 207 03 37

Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU)
Prof. Dr. Selma Rudert
E-Mail: selma.rudert[at]rptu.de
Tel.: +49 6341 280-31212

Dr. Sven Kachel
E-Mail: sven.kachel[at]rptu.de
Tel.: +49 6341 280-31237

 

Pressekontakt:

Universität Basel
E-Mail: kommunikation[at]unibas.ch
Tel.: +41 61 207 30 17

Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU)
Kerstin Theilmann
E-Mail: kerstin.theilmann[at]rptu.de
Tel.: +49 6341 280-32219

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Christoph RichterPressesprecher

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