Unsere RPTU Story
Neue Wege in der Lehrerbildung: Die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz wächst
Gymnasiallehrerin Lisa Häßel unterrichtet die Fächer Chemie und Mathematik. Allerdings nicht in Vollzeit. Denn parallel zu ihrem Lehrerinnen-Alltag forscht sie an der RPTU – im Bereich Fachdidaktik der Chemie: Für ihre Doktorarbeit will sie herausfinden, wie sich Künstliche Intelligenz, kurz KI, im naturwissenschaftlichen Unterricht nutzen lässt. Ein Thema, mit dem sich auch Lehramtsstudierende auseinandersetzen sollten, empfiehlt sie. Denn bereits heute nutzen drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler die neue Technologie – allerdings meist eigeninitiativ: „Dabei müssten sie von der Schule besser an die Hand genommen werden. Um Risiken richtig einschätzen zu lernen.“
Am Veldenz Gymnasium in Lauterecken ist das Fach „Künstliche Intelligenz“, kurz „KI“, inzwischen verpflichtend für die Jahrgangsstufe acht: „Einmal pro Woche steht KI auf dem Stundenplan. Wir wechseln uns dabei als Lehrkräfte ab, wie bei einer Ringvorlesung, jeder bringt sein Spezialwissen ein“, berichtet Lehrerin Lisa Häßel, die sich an ihrer Schule nicht nur um die Organisation des neuen Unterrichtsfachs kümmert – sondern inhaltlich auch um den Bereich „Prompting“: Sie geht mit ihren Schülerinnen und Schülern also der Frage nach, wie man einer KI die richtigen Anweisungen gibt, um sie steuern zu können.
Parallel zu ihrem Schul-Alltag forscht Lisa Häßel an der RPTU am Standort Kaiserslautern in der Arbeitsgruppe von Jun.-Prof. Dr. Seibert. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit will die 32-Jährige herausfinden, wie sich KI im Unterricht nutzen lässt, sozusagen als Lern-Assistent. Genauer gesagt, entwickelt sie einen Chatbot, der Schülerinnen und Schüler im naturwissenschaftlichen Unterricht bei der Entwicklung von Experimenten unterstützt.
KIVa nennt sie ihre Chatbot-Version. In Untersuchungen will sie diese mit einer „rohen“ Chatbot-Version vergleichen, einer frei zugänglichen Version, die nicht von ihr bearbeitet wurde. In Tests, Interventions-Studien, analysiert sie, ob und wie effektiv ihre Schülerinnen und Schüler mit KIVa arbeiten können: „Ich schaue mir neben der Wirksamkeit beim Lernen auch an, wie hoch die kognitive Belastung ist. Ob sie damit überfordert sind. Ob die Schülerinnen und Schüler die neue Technologie überhaupt annehmen.“ Und sie vergleicht, ob KIVa im Unterricht mit seinen metakognitiven Prompts Schülerinnen und Schüler im selbstregulierten Lernen effizienter unterstützt als die „rohe“ Chatbot-Version.
In welchen Unterrichtssituationen ließe sich KIVa nutzen? Lisa Häßel: „Wenn ich 30 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse habe und diese ein Experiment planen und entwickeln – dann kann KIVa jeden Schüler individuell dabei unterstützen und ein Feedback geben.“ Als Lehrerin könne sie sich in solchen Situationen nun mal nicht gleichzeitig um jeden kümmern. „Inhaltlich geht es bei den Experimenten beispielsweise um die Frage, wann rostet etwas – unter welchen Parametern. Oder im Bereich Biologie geht es um das Wachstum von Pflanzen. Was passiert, wenn ich die Parameter Licht und Düngemittel verändere.“
Steht alles, und sind die ersten Tests mit den Schülerinnen und Schülern abgeschlossen, dann will sie Lehrer-Fortbildungen zu KIVa anbieten. „Die Architektur des Lernassistenten ist so flexibel gestaltet, dass er problemlos an alle naturwissenschaftlichen Fächer angepasst werden könnte.“
Lisa Häßel selbst hat in Kaiserslautern studiert, damals noch an der TU Kaiserslautern. Neben ihren Unterrichtsfächern Chemie und Mathematik habe sie zudem die Lehrerlaubnis für Biologie, erzählt sie. Fachlich sei sie sehr gut auf ihren Beruf vorbereitet worden. Sie schätzt es, dass sie ihrer Alma Mater im Bereich Forschung nach wie vor treu bleiben kann: „An der RPTU bin ich nicht die Einzige, die sich mit KI in der Fachdidaktik beschäftigt – wir sind mehrere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Inhalte dazu werden in die Lehre kommen. Also in die Ausbildung von Lehramtsstudierenden.“
Drei Viertel der Schülerinnen und Schüler nutzen KI – die Schule spielt dabei bislang keine große Rolle
Als Expertinnen und Experten ihres Fachs, ergänzt Lisa Häßel, sollten Lehrerinnen und Lehrer – aber genauso Lehramtsstudierende – wissen, wie sich KI im eigenen Fach einsetzten lässt: „Ein Ethik-Lehrer könnte sich beispielsweise auf die ethischen Fragen von KI fokussieren. Ein Sozialkunde-Lehrer, vielleicht im Vorfeld einer Wahl, auf Deepfakes.“ Also auf das Erkennen von echt wirkenden – aber künstlich erzeugten – Foto-, Video- und Sprachaufzeichnungen.
Künstliche Intelligenz und Schule – ein Zukunftsthema, dem sich jeder wird stellen müssen: „KI nimmt in allen Bereichen an Bedeutung zu. So auch im Bildungsbereich. KI ist da und bleibt.“ Schon jetzt, so zeigen es Untersuchungen, nutzen in Deutschland drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler die neue Technologie. „Und das meist eigeninitiativ“, fügt Lisa Häßel an. Idealerweise müssten sie dabei allerdings an die Hand genommen werden, um sich auch kritisch mit dem Thema auseinandersetzen zu können. „Doch bislang ist Schule beim Thema KI kein Faktor.“
Als Lehramtsstudierender autodidaktisch mit KI beschäftigen – „damit man ein Gefühl dafür bekommt“
Wie können sich Lehramtsstudierende auf diese anspruchsvolle Aufgabe vorbereiten? Sie selbst habe sich vieles autodidaktisch angeeignet, erzählt Lisa Häßel. „Neben der Theorie sollte man sich vor allem intensiv mit der Praxis auseinanderzusetzen. Also, wie man mit einem Chatbot kommuniziert. Damit man ein Gefühl dafür bekommt.“
Ja klar, werde KI von einigen ihrer Kolleginnen und Kollegen skeptisch beäugt, fügt sie an. „Einige fragen sich, wurde eine Hausaufgabe von dem Schüler selbst oder von einer KI gelöst. Aber Lehrkräfte kennen ihre Schülerinnen und Schüler meist sehr gut und meist sehr lange – und können deren Verhalten richtig einordnen.“ Lisa Häßel findet es richtig, dass KI einen Platz im Unterricht findet. Und sie begrüßt es, dass Informatik ab dem Schuljahr 2028/29 ein Pflichtfach an allgemeinbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz wird: „Dabei wird es inhaltlich dann hoffentlich nicht nur darum gehen, was KI ist. Sondern auch, wie man sie fürs Lernen nutzen kann.“
Offen für den Austausch mit anderen Schulen und Lehrkräften
Wenn weitere Schulen, weitere Lehrerinnen und Lehrer Interesse an ihrer Forschungsarbeit haben, dann könnten sie sich gerne bei ihr melden, fügt Lisa Häßel an. Wenn es zeitlich passe, könne sie zudem weitere Schülerinnen und Schüler in ihre aktuellen Untersuchungen mit einbeziehen. „Für Anregungen und Fragen bin ich offen. Ich fände es zudem spannend zu sehen, wie KI von anderen Schulen und in den unterschiedlichen Fächern genutzt wird.“ Vernetzung sei ihr wichtig – und etwas sehr Gutes. Letztendlich geht es darum, KI zu einer Bereicherung für Schulen werden zu lassen.