Unsere RPTU Story
„Alles kann, nichts muss“: Chancen und Grenzen an einer amerikanischen Highschool
Mitte September haben sich 17 Studierende der RPTU für eine Studienreise in den Osten der USA aufgemacht - nach Pennsylvania, genauer in die kleine Stadt East Stroudsburg, nahe der Grenze zu New Jersey. Vor ihnen lagen vier Wochen Eintauchen in die amerikanische Highschool-Welt. Allerdings drückten sie dort nicht die Schulbank, sondern standen auf der anderen Seite des Lehrerpults: Sie bekamen einen tiefen Einblick in den Alltag der Lehrkräfte vor Ort, in das Unterrichten, die Schulausstattungen und die Möglichkeiten an einer staatlichen Schule – aber auch deren Grenzen. Gefördert wird der praxisorientierte Kurzaufenthalt, der im Übrigen als Orientierendes Praktikum im Rahmen des Lehramtsstudiums anerkannt werden kann, durch Stipendien der Santander Bank.
Safiye Karaagac und Ken Fischer, beide Lehramtsstudierende an der RPTU in Landau, waren beim diesjährigen Austauschprogramm dabei. „Es war eine intensive Zeit. Es gibt viele Dinge, die ich gerne nach Deutschland mitnehme, zum Beispiel das Verständnis von Schule als Wohlfühlort, die vielen Wahlmöglichkeiten und das alles kann, aber vieles nicht muss. Andere Dinge, wie die unglaubliche Ressourcenverschwendung, lasse ich gerne drüben“, sagt Ken über die Vielfalt der Eindrücke und den Kontrastreichtum der Erfahrungen. „Mir hat es die Offenheit der Lehrkräfte uns Studierenden gegenüber angetan“, ergänzt Safiye. „Das hat es sehr leicht gemacht, wirklich eintauchen zu können in den Highschool Alltag: Ich war überall in der Schule willkommen“, erzählt die Lehramtsstudentin mit den Fächern Englisch und Französisch. „Genau“ stimmt ihr Ken zu. „Das Individuum steht im Mittelpunkt. Bei einem meiner Unterrichtsbesuche schlief ein Schüler ein. Im Anschluss an den Unterricht habe ich den Lehrer gefragt, warum er das zugelassen hat. Seine Antwort hat mich überrascht“, sagt Ken. Der Lehrer meinte, er wisse nicht, was zu Hause bei dem Schüler los sei und warum er so müde war. Aber offensichtlich brauchte er den Schlaf. „Den Menschen und seine Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen und die Schule als Wohlfühlort zu verstehen, fühlt sich für mich total richtig an. Das ist eine Sache, die ich für meinen späteren Berufsalltag mitnehmen werde“, ist der Lehramtsstudent mit der Fächerkombi Englisch und Sport überzeugt.
Ausstattung auf höchstem Niveau
Als die beiden von der Ausstattung der staatlichen Stroudsburg Highschools erzählen, an denen sie jeweils ihre Praktika absolviert haben, geraten sie ins Schwärmen. „Das muss man sich mal vorstellen: Wenn ein Schüler dort für das nächste Schulquartal das Fach Werken wählt, dann arbeitet er an professionellen Holzverarbeitungsmaschinen und es entstehen wirklich großartige Werke. Das ist extrem motivierend“, schwärmt Ken. Im Gegensatz zu den Bedingungen, unter den Schülerinnen und Schüler in Deutschland lernen müssen, seien die dortigen Ausstattungen staatlicher Schulen sehr hochwertig und professionell. „Man merkt sehr stark, dass der Staat mehr Geld in Bildung investiert als hier“, bedauert Ken. Dabei reichen die Wahlmöglichkeiten in Pennsylvania von Film über Marketing oder Musik in all ihren Facetten, Sport für Anfänger und Fortgeschrittene, Life Skills und Finanzen.
Inklusion ist eine Selbstverständlichkeit
„Durch die Wahlmöglichkeiten ist das Kurssystem an sich bereits sehr lernmotivationserhaltend“, erzählt Safiye. Die Schülerinnen und Schüler differenzieren selbst. „Beispielsweise gibt es in Französisch die Kurse eins bis fünf. Der Schüler wählt einfach den Kurs, der zu seinem Kenntnisstand und seinen Zielen passt“, erklärt sie. „An der Highschool, an der ich war, konnte Inklusion dadurch ganz anders stattfinden“, ergänzt Ken die Vorteile, die durch ein freiwählbares Kurssystem entstehen. „Die ‚Kids with special needs‘ konnten so ganz selbstverständlich dabei sein und wählten das, was ihnen liegt. Bei unseren Uni-Besuchen haben wir sehen können, dass sich der Inklusionsgedanke der Highschools dort fortsetzt. Menschen mit Beeinträchtigungen, wie dem Downsyndrom, sind selbstverständlicher Teil der Studierendenschaft.“
Politik ist tabu
Allerdings gibt es, so die beiden, ein großes Tabuthema in der Schule, das sei die Politik. „Es gab so viel Auswahl bei den Fächern. Politik war aber nicht dabei“, erzählt Safiye. „Wir waren ja in der Hochphase des Wahlkampfes dort. Und Pennsylvania ist auch noch einer der Swing States gewesen. Da hatten wir natürlich die Hoffnung, das total intensiv mitzubekommen. Einmal hat einer der Schüler einen Wahlzettel einer Partei mit in die Schule gebracht und gegenüber der Lehrerin den Wunsch geäußert, ob der Kurs über die einzelnen Parteien und ihre Wahlprogramme sprechen könnte. Das wurde abgelehnt. Politik sei Privatsache.“
Zeit On-Tour zu sein
In den vier Wochen war jeder Studierende einer Lehrkraft zugeordnet. „Wir konnten unsere Mentoren in den Unterricht begleiten und je nachdem, was wir uns zugetraut haben, auch selbst unterrichten“, sagt Ken. „Und wenn wir in ein anderes Fach als das unserer Lehrkraft reinschauen wollten, war das total unkompliziert – es war sogar gewünscht“, so Safiye. Obwohl die Highschool in den USA als Ganztagsschule von morgens 7:00 Uhr bis 14:30 am Mittag organisiert ist, blieb genug Zeit, Pennsylvania und den Nachbarstaat New Jersey, sowie New York und Philadelphia zu erkunden. „In der ersten Woche haben die Organisatoren vor Ort ein tolles Kennenlernprogramm auf die Beine gestellt. Die Studierenden, die nächstes Jahr zu uns nach Landau kommen, waren zudem unsere Buddys und haben uns zu ihren Unternehmungen mitgenommen. Wir waren auf Konzerten, beim Wrestling und auf dem Essiggurkenfest“, erzählen Ken und Safiye.
Ein wirklich rundum stimmiger Auslandsaufenthalt sei es gewesen, so die beiden angehenden Lehrkräfte. Organisiert wurde der praxisorientierte Kurzaufenthalt durch das Zentrum für Lehrerbildung der RPTU in Landau in Zusammenarbeit mit dem Referat für internationale Angelegenheiten und dem Fach Anglistik. Durch das Stipendium konnten die Reisekosten nahezu vollständig abgedeckt werden. „Wir sind gespannt, was unsere Buddys zum deutschen Schulsystem sagen. So oder so freuen wir uns sehr auf deren Kommen“, sind sich Safiye und Ken einig.
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