Studie zu Selbsthilfe im Katastrophenfall: Mehr als die Hälfte der Deutschen ist noch nicht ausreichend vorbereitet

Das nötige Wissen rund um die Selbsthilfe ist der beste Schutz im Katastrophenfall. Foto: Rohs
Vorratshaltung ist das eine. Ebenso wichtig ist die Möglichkeit, diese auch bei einem Stromausfall zubereiten zu können. Foto: Rohs

„Eine Katastrophe kommt selten allein.“ Wie mit alten Sprichwörtern, so ist es auch mit altem Allgemeinwissen: Vieles geht verloren oder gerät in Vergessenheit. Dabei ist es gerade im Katastrophenfall von entscheidender Bedeutung, sich selbst helfen zu können. Das Forschungsprojekt PREP des Lehrstuhls für Erwachsenenbildung, Fachgebiet Pädagogik an der RPTU in Kaiserslautern hat genau diesen gesellschaftlichen Bereich des Katastrophenschutzes jetzt in den Fokus genommen: Wie gut ist die Bevölkerung in der Lage, sich im Katastrophenfall selbst zu helfen oder zu versorgen? Gemeint sind beispielsweise kleinere medizinische Notfälle, Stromausfall oder das Wegfallen der Lebensmittelversorger-Infrastruktur.

„Viele Menschen erinnern sich, dass die Eltern oder Großeltern noch größere Mengen an Vorräten im Keller oder der Speisekammer gehortet hatten. Auch für die Behandlung von kleineren Krankheiten gab es neben der Hausapotheke verschiedene Heilmittel und Methoden, von der Hühnersuppe bis zum Zwiebeltee,“ erklärt Professor Matthias Rohs vom Centrum für Katastrophenforschung an der RPTU und Verantwortlicher für das Forschungsprojekt PREP (Informelle und selbstgesteuerte Lernprozesse der Bevölkerung im Bereich Notfallvorsorge), das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gefördert wird. „Wir leben in Zeiten der dauerhaften Verfügbarkeit. Das lässt die Notwendigkeit, auf Katastrophensituationen vorbereitet zu sein, scheinbar in den Hintergrund treten.“

Genau das Gegenteil sei aber der Fall. Naturkatastrophen häufen sich und Corona könnte nicht die letzte Pandemie gewesen sein, die dazu führt, dass Lieferketten unterbrochen werden. „Natürlich haben wir einen gut organisierten staatlichen Katastrophenschutz“, sagt Rohs weiter. „Die Bevölkerung muss sich aber im Klaren sein, dass der staatliche Katastrophenschutz bei größeren Vorfällen zunächst die allgemeine Hilfe vor der individuellen Hilfe priorisiert. Er wird zuerst eine nötige Brücke bauen, bevor er Keller auspumpt. Ebenso wird er bei Verletzten eine Priorisierung vornehmen müssen und zuerst die Schwerstverletzten versorgen. Aus diesem Grund ergibt es sich, dass Teile der Bevölkerung eine gewisse Zeitspanne mit Selbsthilfe überbrücken werden müssen.“

Um einen fundierten Überblick zu erhalten, wie gut die Bevölkerung darauf vorbereitet ist, sich im Ernstfall selbst zu helfen, wurde das Institut für Demoskopie Allensbach mit einer Befragung beauftragt. Dabei ging es unter anderem um die private Vorratshaltung und um Fähigkeiten, die in Notfällen hilfreich und wichtig sind, wie der Umgang mit Ausnahmesituationen oder medizinische Selbstversorgung. „Die Ergebnisse waren ernüchternd und zeigen den großen Handlungsbedarf: Nicht einmal jeder zweite Bürger hat sich schon mal mit dem Thema Notfallversorgung auseinandergesetzt“, bringt es der Professor für Erwachsenenbildung auf den Punkt.

Gefragt wurde unter anderem danach, welche Lebensmittel die Menschen zu Hause vorhalten und wie lange sie sich damit versorgen könnten. Rund 45 Prozent gaben an, hier gut ausgestattet zu sein und den, vom BBK empfohlenen, Zeitraum von zehn Tagen überbrücken zu können. Allerdings kann sich nur ein Drittel dieses gut versorgten Bevölkerungsanteils die bevorrateten Lebensmittel auch ohne Stromzufuhr zubereiten. Gerade aber Stromausfälle könnten die Herausforderung sein, wenn es um Notlagen durch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen geht. Generelles Wissen über Verhalten in Notsituationen, wie beispielsweise Wetterextreme, haben nach der Befragung nur etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Allerdings brachte die Studie auch zu Tage, dass ein großes Wissensgefälle innerhalb der Gesellschaft besteht. „Bei Frauen, jungen Menschen oder Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status antworteten nur etwa ein Fünftel, dass sie ausreichend Bescheid wissen. Deshalb sollten diese Personen in besonderem Maße in den Blick genommen werden“, erläutert Rohs.

Viele der Befragten sind sich ihrer Wissenslücken bewusst und würden sich diesbezüglich gerne weiterbilden. „Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen, die sich mit Notfallvorsorge beschäftigen, auch deutlich besser auf Notfälle vorbereitet sind. Der Wunsch nach Weiterbildung in diesem Bereich ist eine große Chance, die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung deutlich zu steigern“, fasst der Wissenschaftler weiter zusammen. Dafür wünsche sich jeder zweite Befragte Angebote vor Ort. Hier könnten die Volkshochschulen und die Organisationen des Katastrophenschutzes wichtige Beiträge leisten.

In Zeiten zunehmender Naturkatastrophen sowie hybrider Bedrohungen, die zu Ausfällen der Stromnetze aber auch digitaler Infrastruktur und Dienstleistungen führen können, ergeben sich daraus besondere Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz. Die Frage nach der Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger kommt vor diesem Hintergrund wieder mehr Bedeutung zu. „Die Selbsthilfe und Selbstschutzfähigkeit der Menschen ist eine wichtige Basis des Bevölkerungsschutzes. Die Organisationen des Katastrophenschutzes können diese Kompetenzen durch ihre speziellen Fähigkeiten nur ergänzen. Diese Erkenntnis muss wieder in das Bewusstsein der Bürger gelangen“, schließt Rohs aus den Befragungsergebnissen. Demnach gelte es, altes Wissen und Gewohnheiten über Erste-Hilfe-Maßnahmen, Vorratshaltung und Selbstversorgung aus den Tiefen des gesellschaftlichen Gedächtnisses zu holen oder aufzufrischen. Die Projektgruppe empfiehlt, nach Auswertung der Befragungsergebnisse, wichtige Kenntnisse für den Selbstschutz und die Selbsthilfe in Katastrophenfällen einem möglichst breiten Bevölkerungsanteil leicht zugänglich zu machen und dadurch die Widerstandsfähigkeit der Gesamtbevölkerung in Katastrophensituationen zu stärken.

 

Weiterführende Informationen:

Überblick über das Projekt PREP:
https://sowi.rptu.de/fgs/paedagogik/forschung/projekte-erwachsenenbildung/projektuebersicht/prep

Das Zentrum für Katastrophenforschung an der RPTU in Kaiserslautern hat sich auf interdisziplinäre Forschung rund um Katastrophenfälle und den Umgang damit spezialisiert.
https://rptu.de/zentren/cidr

Auf dem Portal der BBK „Für alle Fälle vorbereitet“ finden sich umfassende Informationen zum Selbstschutz in Katastrophenfällen:
https://www.bbk.bund.de/DE/Warnung-Vorsorge/Vorsorge/Fuer-alle-Faelle-vorbereitet/fuer-alle-faelle_node.html

 

Pressekontakt:

Christoph Richter
Pressesprecher

T: 0631 205-4218
E: presse[at]rptu.de  
www.rptu.de/presse

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