Inline Process Solutions: Inline-Messtechnik erschließt verborgene Prozessparameter in Produktionsapparaten
Die Steuerung von Produktionsanlagen in der Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie erfolgt in der Regel erfahrungsbasiert, anhand von Prozessparametern wie Temperatur und Druck. Dabei liegen in ihrem Inneren weitere Kenngrößen verborgen, die präzisere Aussagen über die Effizienz und Nachhaltigkeit ihres Betriebs ebenso wie über die Qualität von Produkten liefern. Hier setzt das Gründungsvorhaben Inline Process Solutions (IPS) von fünf Kaiserslauterer Forschenden an. Sie entwickeln an der RPTU Kaiserslautern-Landau eine Messtechnik, die in Apparaten und Rohrleitungen hochauflösende Bilder des enthaltenen Stoff- bzw. Phasengemischs macht. Die zugehörige, auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Software bestimmt Parameter wie die Partikelgröße.
IPS macht mit der Inline-Messtechnik sichtbar, wie die disperse Phasenströmung (bezeichnet ein Gemisch aus mehreren Phasen wie einer Flüssigkeit und einem Gas) beschaffen ist. „Mit unserem System können wir in Rohrleitungen und andere Apparate hineinschauen und untersuchen, wie groß Partikel in einem Gemisch sind, welche Form sie aufweisen und wie viele es überhaupt sind“, erklärt Dr.-Ing. Anne Friebel, die sich bei IPS um die allgemeine Produktentwicklung sowie die Zusammenarbeit mit Industriekunden kümmert.
Die Inline-Messtechnik besteht aus Hard- und Software: Eine Sonde dient als Sensor, und liefert pro Sekunde 5 bis 10 Bilder – idealerweise an einer kritischen Stelle wie beispielsweise kurz hinter dem Auslass eines Trennapparats. Danach verarbeitet eine Software die Bilddaten mittels KI. Die daraus resultierenden Kenngrößen können Anlagenbetreiber über ein User Interface einsehen und für die Steuerung der Prozesse nutzen.
Fokus auf Kristallisation und Sprays
Das Gründungsteam von IPS arbeitet zurzeit mit vier Industriekunden zusammen, um ihr System, das unter dem Namen ARIMOS angeboten werden soll, zur Marktreife zu entwickeln. „Wir konzentrieren uns auf zwei Einsatzbereiche: Kristallisation und Sprays“, sagt Friebel. „Hier sehen wir das größte Potenzial.“ Bei der Kristallisation ist die Form der Partikel entscheidend. Kristalle können je nach Bedingungen unterschiedlich aussehen, aber häufig wird nur eine spezifische Variante benötigt, um anschließende Verarbeitungsschritte zuverlässig durchzuführen. Hier zahlt sich also der prüfende Blick ins Innere des Apparats aus, um kostenintensive Fehlproduktionen oder Nachbearbeitungen zu verhindern. „Das Alleinstellungsmerkmal von ARIMOS ist, dass der Sensor besonders kontrastreiche Aufnahmen liefert, welche die KI im Nachgang leicht erkennen und auswerten kann. Und für das Training der KI können wir synthetische Bilder nutzen, so dass das System beim Kunden direkt mit den Live-Messungen starten kann. Damit sind wir einzigartig am Markt.“
Des Weiteren ermöglicht es die Inline-Messtechnik erstmals, Sprays zu analysieren. „Wir sind dabei ganz kleinen Tröpfchen in Gasströmen auf der Spur“, so die Ingenieurin. „Der Mitriss von Tropfen ist hierbei entscheidend, das heißt, wie viele Flüssigkeitspartikel nach dem Durchlauf durch spezielle Trennapparate noch im Gasstrom enthalten sind.“ Zum einen geht es darum, Produktverlust zu minimieren. Zum anderen besteht die Gefahr, dass nachgeschaltete Anlagen, die nicht mit Flüssigkeit umgehen können, Schaden nehmen. Deswegen kommen in der Industrie üblicherweise zusätzlich mehrere Abscheider zum Einsatz, was Material- und Energiekosten verursacht. Diese aufwändige statische Absicherung kann mit ARIMOS optimiert werden.
Langfristig soll die Inline-Messtechnik nicht nur Analysen ermöglichen, sondern auch über Parameter wie die Partikelgröße Prozesse direkt steuern. „Als dritte Ausbaustufe planen wir, unser System auch als Lösung für die vorausschauende Instandhaltung einzusetzen“, ergänzt Friebel. „Die KI kann lernen, welche Bilder auf gut laufende bzw. nicht optimal laufende Prozesse hindeuten. So wird es möglich gegenzusteuern, bevor etwa ein Filter komplett verstopft und längere Stillstandzeiten verursacht.“
Über das Gründungsvorhaben IPS
IPS – das sind Dr.-Ing. Anne Friebel und ihre Gründungskollegen Dr.-Ing. Jonas Schulz (CEO), Dr.-Ing. Dominic Wirz, Robert Hesse und Andreas Eiden. Alle sind Ingenieure, bringen jedoch aus ihrem jeweiligen Fachgebiet und ihrer Forschungsarbeit an der RPTU Kompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen – Wirtschafts- und Chemieingenieurwesen sowie Maschinenbau und Verfahrenstechnik – mit. Ihr Gründungsvorhaben wird im Rahmen des EXIST-Forschungstransfers vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Zugleich unterstützt das Gründungsbüro der RPTU und der Hochschule Kaiserslautern das Team auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Räumlichkeiten und Laborplätze stehen den Gründern am Laboratory of Reaction and Fluid Process Engineering (LRF, Leitung: Prof. Dr.-Ing. Erik von Harbou) zur Verfügung. Als Mentor unterstützt unteranderem Prof. Hans-Jörg Bart, der eine Senior Forschungsprofessur am LRF innehat.
Kontakt:
Dr.-Ing. Anne Friebel
Inline Process Solutions
Tel.: 0631 205-5619
E-Mail: anne.friebel[at]rptu.de
Über die RPTU
Seit 1. Januar 2023 bilden die Technische Universität Kaiserslautern und die Universität in Landau zusammen die Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau. Mit rund 19.000 Studierenden und mehr als 300 Professorinnen und Professoren ist die RPTU die zweitgrößte akademische Einrichtung des Landes. Als Ort internationaler Spitzenforschung und akademische Talentschmiede der Wirtschaft und Wissenschaft bietet die RPTU exzellente Studien- und Forschungsbedingungen sowie ein weltoffenes Umfeld. Die RPTU ist zudem Innovations- und Transferpartner für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wer an der RPTU studiert, lernt, forscht oder arbeitet, ist Teil einer lebendigen Universitätsgemeinschaft und gestaltet die Welt von morgen.
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