Unsere RPTU Story

„Einfach trauen“: Nach Berufsausbildung ins Lebensmittelchemie-Studium gestartet

Ohne Abitur – dafür aber mit einer qualifizierenden Berufsausbildung – hat Nico Becker sein Studium der Lebensmittelchemie zum Wintersemester 2021/22 an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) aufgenommen. Seine vorab erworbenen Berufserfahrungen helfen ihm in vielfältiger Weise gut durch das Studium zu kommen, berichtet er. Nach seinem Master-Abschluss möchte er vielleicht noch promovieren und eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen.

Sein Interesse für die Lebensmittelchemie sei historisch gewachsen, erzählt Nico Becker, Student im zweiten Mastersemester. Bereits sein Opa sei Chemiker gewesen: „Das Interesse dafür hat mich schon immer geprägt.“ So absolvierte der heute 27-Jährige in der neunten Klasse ein Praktikum an der damaligen TU Kaiserslautern: „Ich konnte in die verschiedenen Arbeitsgruppen der Chemie hineinschnuppern.“ Doch kurz vor dem Abitur entschied er sich zunächst einen Weg abseits eines Studiums einzuschlagen: Er verließ die Schule, ließ sich zum MTLA ausbilden – zum Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten. „Vereinfacht gesagt sind das die Leute, die im Labor die Blutproben analysieren.“

„Irgendwann hat es mir dann doch gefehlt, dass ich nicht studiert habe“

Drei Jahre war er anschließend in diesem Beruf tätig. „Irgendwann hat es mir dann aber doch gefehlt, dass ich nicht studiert habe.“ Das Interessensgebiet Chemie war nach wie vor vorhanden – allerdings vor allem mit dem Fokus auf Lebensmittelchemie. Denn: „Die Lebensmittelchemie ist aus meiner Sicht mehr analytisch geprägt, mehr physiologisch. Ich habe einen stärkeren Bezug zur Medizin gesehen.“

Ohne Abitur – aber dank seines qualifizierenden Berufsabschlusses – konnte er sich zum Wintersemester 2021/22 für den Studiengang Lebensmittelchemie einschreiben. Nico Becker: „Das ist in Rheinland-Pfalz möglich, vom Land so geregelt. Ich habe eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung für eine Universität, weil die Inhalte des Studiums zu meiner Ausbildung passen.“ Für ihn habe es durchaus Vorteile, dass er vor seinem Studium bereits eine Berufsausbildung absolviert hat, berichtet er: „Im physiologischen Bereich waren mir viele Dinge vorab bekannt. Durch meine Berufserfahrung habe ich in den Praktika einen gewissen Vorteil.“ Und außerdem: Er sei ein paar Jahre älter als die meisten seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen. Auch das erleichtere ihm die Sicht auf manche Dinge, lacht er: „Ich glaube, es fällt mir leichter, Module und Prüfungen zu organisieren.“

Ein Studium ohne Abitur, aber entsprechend beruflich qualifiziert: „Das kommt immer mal wieder vor“, sagt Andrea Langenstein, Studiengangsmanagerin am Fachbereich Chemie und selbst Diplom-Chemikerin. „Wir begrüßen das sehr. Interessierte bekommen von uns vorab eine fundierte Beratung.“

 „Lebensmittelchemie hat einen sehr starken Life Science Bezug“

Und worin unterscheidet sich der Studiengang Lebensmittelchemie von einem klassischen Chemie-Studium? Nico Becker: „In den ersten vier Semestern sind beide Fächer ähnlich aufgebaut. Man hat viele Grundlagenmodule.“ In Lebensmittelchemie habe man verstärkt dann aber auch biologische Fächer: „Das sind Zellbiologie und Botanik.“ Überhaupt biete der Studiengang Lebensmittelchemie einen sehr starken Bezug zum Life Science Bereich.“ Für wen ist welche Richtung besser geeignet? Nico Becker meint: „Wer tief in die Theorie und die Grundlagen der Chemie eintauchen möchte, für den ist natürlich das Chemie-Studium besser geeignet. Auch in Lebensmittelchemie beschäftigen wir uns selbstverständlich mit Theorie und Grundlagen. Doch wir biegen dann irgendwann ab. Es geht bei uns eben vor allem um Lebensmittel, also um Produkte, die jeder aus dem Alltag kennt.“

„Im Studiengang Lebensmittelchemie kommt man früh auch mit rechtlichen Bestimmungen in Kontakt“

Die Lebensmittelchemie habe auch einen starken Bezug zur Toxikologie, meint Andrea Langenstein. „Die Analytik spielt eine große Rolle. Und man kommt im Studiengang Lebensmittelchemie schon früh mit rechtlichen Bestimmungen in Kontakt.“ Beide Richtungen haben auch viele Gemeinsamkeiten, betont Andrea Langenstein. „Deshalb ist in der Anfangsphase auch ein Tausch der Fächer möglich.“ Die Wahlmöglichkeiten sind im Lebensmittelchemie-Studium allerdings weniger stark vorhanden als im Chemie-Studium. „Das liegt auch daran, dass wir vom Gesetzgeber hinsichtlich der Inhalte stärker gebunden sind.“

Sowohl der Bachelorstudiengang Chemie als auch der Bachelorstudiengang Lebensmittelchemie sind frisch reakkreditiert - haben sich also einer Qualitätssicherung unterzogen, betont Andrea Langenstein: „Wir haben die Studiengänge weiterentwickelt.“ So werden Fragen zur Digitalisierung nun stärker berücksichtigt. Dass die Studierenden mit der Ausbildung zufrieden sind, zeigt sich beim aktuellen Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE): Der Fachbereich Chemie der RPTU schneidet sehr gut ab.

Bachelorarbeit: Gutachten zu einem Lebensmittel erstellen

Den Bachelor hat Nico Becker bereits in der Tasche. „Die Bachelorarbeit war wie die Abschlussprüfung einer Berufsausbildung“, schildert er seine Erfahrungen. „Man bekommt eine Schraubdose mit einem Lebensmittel. Mit einem Etikett zu den Inhaltsstoffen, das aber Fehler enthalten kann.“ Aufgabe sei es nun, dieses Lebensmittel genauestens zu untersuchen: „Also stimmen die Angaben auf dem Etikett? Sind die quantitativen Angaben korrekt? Welche Konservierungsstoffe sind enthalten? Wie viel Zucker? Wie viel Fett?“ Insgesamt acht Wochen habe man Zeit. Eine Woche sei für die dazugehörigen Laborarbeiten eingeplant. Hier können die Bacheloranden dann ihre im Studium erworbenen Analyse-Fähigkeiten unter Beweis stellen. „Die übrige Zeit erstellt man dann ein Gutachten über das zu prüfende Lebensmittel. Und das ist die Bachelorarbeit.“

Als Masterstudent in der Forschung mitarbeiten

Im Lebensmittelchemie-Masterstudiengang seien dann verschiedene Schwerpunkte möglich. Ein Fokus auf Toxikologie, Analytik oder Biochemie könne das sein. „Mich persönlich zieht es in die analytische Lebensmittelchemie“, sagt Nico Becker. Er sei bereits studentische Hilfskraft in der Arbeitsgruppe von Professorin Elke Richling. Inhaltlich geht es um Hitzekontaminanten in Lebensmitteln – um unerwünschte Stoffe, die – salopp gesagt – durch thermische Prozesse aus den chemischen Komponenten eines Lebensmittels gebildet werden und gesundheitliche Risiken darstellen können. „Die meisten Leute haben schon von Acrylamid gehört. Es gibt aber auch andere Verbindungen, die ab einer bestimmten Temperatur bei der Lebensmittelverarbeitung entstehen. Und die sind aus toxikologischer Sicht relevant.“ Auch seine in etwa einem Jahr anstehende Masterarbeit könnte in diesem Themengebiet verankert sein.

Beamtenlaufbahn, Industrie oder universitäre Forschung: Beruflich kann es in verschiedene Richtungen gehen

Welche beruflichen Möglichkeiten hat man mit einem Master in Lebensmittelchemie? Nico Becker: „Lebensmittelchemiker ist eine geschützte Berufsbezeichnung. Der Master-Abschluss ist mit dem früheren ersten Staatsexamen gleich zu setzen. Man kann dann sozusagen noch das zweite Staatsexamen anhängen. Das wäre berufsbegleitend eine einjährige Ausbildung.“ Damit sei man staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker. „Das qualifiziert zu einer Beamtenlaufbahn etwa bei Landesuntersuchungsämtern.“

Ein anderer Weg: Mit dem Masterabschluss in die Industrie gehen. Tätigkeitsfelder wären hier die Qualitätssicherung oder die Analytik. „All das braucht man, wenn es um die Entwicklung und Produktion von Lebensmitteln, Pharmazeutika oder Kosmetika geht.“ Ein weiterer Weg seien Wissenschaft und Forschung – an Universitäten, aber auch an außeruniversitären Forschungseinrichtungen. „Stand jetzt zieht es mich am meisten dahin“, meint Nico Becker. Eine Promotion könne er sich vorstellen. Dafür möchte er als Wissenschaftler an einer Universität tätig sein. Eine Forschungstätigkeit sei aber auch in der Industrie möglich.

„Interesse und Neugierde sind das Entscheidende“

Und was sollten Studieninteressierte vorab wissen? Andrea Langenstein empfiehlt ein gewisses Maß an naturwissenschaftlichem und mathematischem Verständnis mitzubringen. „Interesse auch am Experimentieren.“ Und Nico Becker sagt: „Einfach trauen. Lasst Euch am Anfang nicht einschüchtern. Niemand beißt. Es passiert auch nichts, wenn man eine Klausur mal nicht besteht.“ Und er betont, dass Vernetzung wichtig sei, Kontakte zu höheren Semestern suchen, damit man um Rat fragen kann. Vorab Wissenslücken lassen sich eigeninitiativ schließen: „Ich habe mir dann auch schon mal ein Mathe-Buch zur Hand genommen, um etwas nachzuarbeiten.“ Auch Brückenkurse vor dem Studium können ein gutes Rüstzeug bieten. Doch vor allem eines sei wichtig, betont Nico Becker: „Interesse und Neugierde am Fach. Das ist letztendlich das Entscheidende.“

Autorin: Christine Pauli