So forschen wir für mehr Nachhaltigkeit

Mit Unterstützung der Forschungsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz zur Profilbildungsstrategie der RPTU haben wir unsere Potential- und Profilbereiche für Forschung klar definiert. Wir unterscheiden sieben, größtenteils interdisziplinäre Forschungsprofillinien, von denen drei einen expliziten Bezug zu Fragen der Nachhaltigkeit aufweisen:
- Nachhaltige Entwicklung und Erhalt der Lebensgrundlagen
- Gesellschaftliche und digitale Transformationen
- Hochleistungswerkstoffe und -konstruktionen für innovative Produkte
Unter diesen Profillinien mit besonderem Nachhaltigkeitsbezug finden sich wiederum Forschungsprojekte unterschiedlichster Fachbereiche. Im Folgenden stellen wir eine exemplarische Auswahl an wichtigen Forschungsprojekten vor.
Interviewreihe zu Nachhaltigkeit in der Forschung
Nachhaltigkeitsforschung ist wichtiger denn je – doch was wird schon konkret an der RPTU entwickelt? Das Green Office der RPTU beleuchtet im Interview, wie Wissenschaftler:innen mit ihrer Forschung die Wende zur Nachhaltigkeit voranbringen.
Den Anfang macht Cora Laumeyer: Seit 2021 promoviert sie am Fachbereich Bauingenieurwesen zur Herstellung von Biopolymeren aus Abwässern – ein Ansatz, der Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz erforscht.
Was hat Sie persönlich dazu bewegt, im Bereich Ressourcenrückgewinnung aus Abwasser zu forschen, und wie würden Sie die übergreifende Vision Ihrer Arbeit – etwa für Kreislaufwirtschaft oder Nachhaltigkeit – beschreiben?
Bereits während meines Studiums fand ich die Idee Ressourcen aus Abwasser zurückzugewinnen genial; Abwasser fällt stetig an und die darin enthaltenen Schad- und Nährstoffe müssen zum Schutz von Umwelt und Gesellschaft sowieso entfernt werden. Dies nun mit einer gezielten Rückgewinnung relevanter Ressourcen wie bspw. Phosphor zu koppeln, ergibt einfach Sinn - das Abwasser wird gereinigt und gleichzeitig Ressourcen rückgewonnen, die erneut genutzt werden können. In meiner Promotion beschäftige ich mich mit der Herstellung eines biologisch abbaubaren Biopolymers aus Industrieabwasser. Dabei verfolge ich die Vision, unter der Nutzung von Abwasser und den darin enthaltenen Ressourcen eine Alternative zu herkömmlichen erdölbasierten Kunststoffen herzustellen. Dabei könnten zum Beispiel Verpackungsmaterialien einer Industrie durch Nutzung der dort anfallenden Abwässer hergestellt werden und somit eine Kreislaufwirtschaft ermöglichen.
Warum ist die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abwasser heute so relevant?
Die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abwasser ist heute besonders relevant, da sie mehreren zentralen Herausforderungen unserer Zeit begegnet. Da ist zum einen die bereits genannte Reduzierung von Umweltbelastungen durch die Abwasseraufbereitung, gleichzeitig begrenzte Ressourcen schont und eine Kreislaufwirtschaft ermöglicht. Zum anderen bedingt diese Art der Ressourceneffizienz auch eine Versorgungssicherheit bzw. fördert sie die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Primärrohstoffen. Letztendlich ist die nachhaltige Nutzung von Abwasser und den darin enthaltenen Rohstoffen in Zeiten des Klimawandels, wachsendem Wasserbedarf und zunehmender Ressourcenknappheit essenziell, um die Bedürfnisse heutiger und künftiger Generationen zu sichern.
Sehen Sie hier einen Wandel in Wissenschaft und Gesellschaft?
Auf jeden Fall! In diesem Themenkomplex wird derzeit in der Wissenschaft viel geforscht - unter anderem an der RPTU, bspw. mit Projekten zur Herstellung von Biopolymeren aus Industrieabwasser und zur gezielten Rückgewinnung von Phosphor (DFG-Graduiertenkolleg WERA). Auch in der Gesellschaft findet ein Umdenken statt, zumindest habe ich das Gefühl, dass in der Gesellschaft das Bewusstsein für eine nachhaltigere Ressourcennutzung zunimmt.
Wie kann Ihre Forschung helfen, den Konflikt zwischen industrieller Produktion und Umweltschutz zu lösen – und welche Rolle spielen dabei Kooperationen mit Praxispartnern (Industrie, Kommunen)?
In meinem Fall ist die Industrie ein wichtiger Baustein, da hier einerseits die Reststoffe anfallen, welche wir zur Herstellung der Biopolymere nutzen und andererseits langfristig ein Upscaling auf einen industriellen Maßstab angestrebt wird. Einen Konflikt würde ich hier weniger sehen, vielmehr die Chance gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die für beide Seiten einen positiven Effekt haben - der Industriebetrieb kann dadurch bspw. sein Abfallaufkommen reduzieren und die Ressourcen werden in Form von Biokunststoffen wiederverwendet.
Was sind die größten Hürden bei der Übertragung Ihrer Forschungsergebnisse in die Praxis, und wie lassen sie sich überwinden?
Das ist eine schwierige Frage, der wir derzeit ebenfalls nachgehen; Dadurch, dass wir mit Reststoffen arbeiten, welche Schwankungen in ihrer Zusammensetzung aufweisen, ergeben sich innerhalb des biologischen Prozesses auch unterschiedliche Arten von Kunststoff. Nun muss also in enger Zusammenarbeit mit kunststoffverarbeitenden Betrieben ermittelt werden, inwieweit diese Schwankungen tragbar sind. Parallel dazu entwickeln wir Strategien, um diese Schwankungen gering zu halten und die Prozessstabilität zu erhöhen.
Wie sieht für Sie eine nachhaltige Wasserwirtschaft der Zukunft aus – und welche Technologien, politischen Weichenstellungen oder Kooperationen sind dafür entscheidend?
Über diese Frage könnte ich wohl ein ganzes Buch schreiben! Eine nachhaltige Wasserwirtschaft der Zukunft zeichnet sich durch einen integrierten und ressourcenschonenden Umgang mit Wasser und den im Abwasser vorhandenen Ressourcen aus. Ziel ist die langfristige Sicherung von Wasser in hoher Qualität und ausreichender Menge für Mensch, Natur und Wirtschaft – trotz Klimawandel, Zunahme an Umweltchemikalien und weltweit zunehmender Urbanisierung. Durch den Klimawandel erfordert sie außerdem eine Resilienz gegenüber Extremereignissen, um mit Dürren und Starkregen besser umgehen zu können. Moderne Technologien der Wasseraufbereitung in Kombination mit intelligenter Sensorik und KI spielen dabei eine zentrale Rolle. Politisch braucht es angepasste Gesetze, gezielte Förderungen und langfristige Investitionen in Infrastruktur und Innovation. Erfolgsentscheidend sind außerdem enge Kooperationen zwischen Kommunen, Landwirtschaft, Forschung und internationalen Partnern.
Wo liegen die größten ungenutzten Chancen in Ihrem Forschungsfeld, um Nachhaltigkeit voranzubringen – und was wünschen Sie sich dafür von Wissenschaft und Gesellschaft?
Die größten ungenutzten Chancen liegen - wie oftmals in der Forschung - an der Umsetzung von Forschungserkenntnissen in die Praxis. Hierfür wäre sicherlich eine stärkere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren und der gezielteren Förderung einer nachhaltigen Abwasserbehandlung sinnvoll. Dabei wünsche ich mir, dass eine engere Verflechtung von Wissenschaft und Gesellschaft erfolgt, um ein Bewusstsein für diese wichtigen Themen zu schaffen - dafür ist eine gute Wissenschaftskommunikation unerlässlich.
Künstliche Intelligenz und Digitalisierung
Künstliche Intelligenz (KI) gehört zu den zukunftsweisenden Technologien und ist wesentlicher Treiber der digitalen Transformation unserer Gesellschaft. Auch in der nachhaltigkeitsorientierten Forschung spielt KI eine entscheidende Rolle. KI kommtin den zwei beispielhaft ausgewählten Forschungsprojekten zum Einsatz:
Bauen und Architektur
Der Bausektor ist abfall- und ressourcenintensiv und muss an die Herausforderungen des Klimawandels angepasst werden. Es bedarf grundlegender Innovationen, um diesen Bereich der Kreislaufwirtschaft zuzuführen und Ressourcen einzusparen. Holzbau spielt beispielsweise eine entscheidende Rolle:
Die Entwicklung nachhaltiger Lösungen für globale Herausforderungen ist ein zentrales Ziel der Forschung an der RPTU. Dieser Bereich unserer Forschung ist außerdem eine treibende Kraft für das Zusammenwachsen der beiden Campus der RPTU.
Prof. Werner Thiel, Vizepräsident für Forschung
Umwelt und Ökologie
Forschung zu Umwelt und Ökologie an der RPTU spannt den Bogen zwischen Natur- und Umweltwissenschaften, Biologie, Chemie, Physik, Verfahrenstechnik und Bauingenieurwesen. Herausragende Projektbeispiele sind:
Energiesysteme der Zukunft
Für eine Energiewende sind grundlegende Veränderungen der elektrischen Infrastruktur und des Energieverbrauchs notwendig. Die notwendigen Innovationen hierfür werden an der RPTU mitentwickelt. Ein Beispiel sind smarte Produktionsprozesse für die Industrie:
Die Verbindung von umweltwissenschaftlicher Forschung mit technischem Know-how und sozio-ökonomischem Monitoring ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal der RPTU.
Prof. Klaus Schwenk, Professor für Molekulare Ökologie