Unsere RPTU Story
Erwartung trifft Realität: Mein Fazit nach acht Semestern Studium
Wenn jemand Anne fragt, in welchem Semester sie aktuell studiert, dann antwortet sie immer ehrlich, aber meistens mit einem selbstironischen Lachen: „Aktuell im achten, ich brauche aber bestimmt noch zwei.” Zu Beginn ihrer Uni-Zeit hatte sie eigentlich die Vorstellung, nach spätestens sechs Semestern durch zu sein. „Ich hatte aber nicht nur eine Idee von einer bestimmten Studiendauer, sondern auch von meiner Studienzeit generell und davon, wie ich diese Zeit nutzen werde.“ Spoiler: Es lief ziemlich anders. Ist sie nach aktuell acht Semestern nun enttäuscht? „Nein, gar nicht. Ich würde es immer wieder so machen!“ Hier schreibt die Zwei-Fach-Bachelorstudentin über ihre Erfahrungen.
Im Kontakt mit Erstsemestern, beispielsweise bei der Stundenplanberatung für die Zwei-Fach-Bachelor, erlebe ich oft höchst motivierte Studis, die sich den Stundenplan meistens zu voll packen mit Vorlesungen oder Übungen. Diese sind jedoch teilweise erst für das zweite oder sogar dritte Semester vorgesehen. Außerdem wird oft gefragt, ob sich der Studiengang in Regelstudienzeit studieren lässt. Nicht falsch verstehen, ich finde es total löblich, so engagiert und voller Lernfreude an sein Studium heranzugehen und ich erkenne mein Erstsemester-Ich in diesen Fragen. Aber eins fehlt mir immer: Die freie Zeit, die jede und jeder nutzen sollte, neben Vorlesungen und Seminaren, um anzukommen, sich auszuprobieren, Spaß zu haben, zu feiern und Neues und Überfachliches zu lernen.
Ich muss aber auch sagen, dass ich das selbst erst während meines Studiums so richtig zu schätzen gelernt habe. Wie schön wäre es, ohne finanziellen Druck zu studieren und nicht schnell mit dem Studium fertig werden zu müssen. Ein Studium ist in meinem Verständnis nämlich eine hervorragende Zeit, um Kontakte fürs Leben zu knüpfen, seine Jugend voll auszukosten. Aber auch, um die eigenen Stärken und Interessen zu entdecken, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Mit Fehlern, nicht bestandenen Prüfungen und all dem, was nun mal dazugehört.
Bei meiner ersten nicht bestandenen Prüfung habe ich mich so geärgert, dass ich kurz davor war, mich zu exmatrikulieren. Getan hätte ich dies wahrscheinlich nicht, aber der Gedanke war kurz da. Ich dachte „du kannst das halt einfach nicht und vielleicht ist das Studium auch nicht das Richtige für dich?!“ Ein bisschen schmunzeln muss ich im Rückblick schon, denn so tief mich das damals getroffen hat, heute ist es mir vollkommen egal und könnte nicht weniger relevant für mein jetziges Leben sein.
Klar ist es unangenehm, durch Prüfungen zu fallen und ich hatte Glück, dass es damals nur der Erstversuch war. Aber die eine oder andere Klausur oder Prüfung zu vermasseln, macht dein Studium nicht passender oder unpassender, schlechter oder besser. Du nimmst aus solchen persönlichen Niederlagen immer etwas mit – und wenn es auch nur die Erkenntnis ist, früher mit dem Lernen anzufangen.
Auch der Anspruch an mich selbst ist gesunken und das nicht, weil mir alles egal geworden ist, sondern weil ich gnädiger zu mir selbst geworden bin. Ich habe eine Weile gebraucht, um herauszufinden, wie ich am besten lernen kann und wie ich dabei für mich selbst etwas mitnehme. So banal das klingt, aber wenn ich Zeit und Interesse habe, mich auf ein Thema einzulassen, dann fällt mir das Lernen viel leichter und bringt mir mehr für meine anstehende Klausur.
Zu Beginn meines Studiums hatte ich noch keine wirkliche Vorstellung oder Ahnung, was man an der Uni so alles machen kann. Klar bin ich bei der Ersti-Messe an vielen Ständen vorbeigekommen, aber ich war dabei so aufgeregt und habe so viel Input bekommen, dass ich gar nicht alles so richtig erfassen konnte. Erst nach Wochen habe ich gemerkt, wie viele Angebote und Möglichkeiten die Uni mir bietet. Angefangen von den Hochschulgruppen und Fachschaften, in denen jeder Studi sich einbringen kann. Zu gefühlt jedem Interessensgebiet gibt es eine Gruppe und falls nicht, können Studierende eine neue Gruppe gründen. Mir gefallen die Angebote von CampusPlus und Unisport, die einem vom Vorlesungsstress ablenken und eine tolle Chance bieten, neue Dinge auszuprobieren.
Nicht zu vergessen sind auch unterschiedliche Univeranstaltungen und Partys, die das Studierendenleben auszeichnen. Das Universitätsangebot wird aber auch durch wissenschaftliche Vorträge, Schlüsselkompetenzkurse, Workshops, studentische Hilfsjobs, Sprachkurse und vieles mehr abgerundet. Oft habe ich mir gewünscht, ich hätte mehr Zeit zur Verfügung, um an all den Sachen teilzunehmen, die mich reizen.
Wofür ich mich interessiere und wofür nicht, hat sich während meines Studiums ebenfalls gewandelt. Ich habe einige Interessen dazugewonnen, denen ich vorher keine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Andersherum habe ich gedacht, mich begeistert ein Thema oder eine Richtung total, was sich dann später als weniger interessant herausgestellt hat. Gerade die Studienzeit ist aus meiner Sicht dafür prädestiniert, seinen Horizont zu erweitern. Das hat mich beispielsweise auch dazu veranlasst, meine Fächerkombination nach zwei Semestern zu wechseln, obwohl das eigentlich nicht mein Plan war. Studienzweifel haben mich nämlich auch mein Studium lang begleitet. Ihr kennt das auch? In meiner Kolumne über Studienzweifel habe ich zusammengetragen, was mir persönlich geholfen hat.
Glücklicherweise habe ich meine Zweifel im Verlauf meines Studiums ablegen können, denn auch mit denen bin ich ins erste Semester gestartet. Germanistik und Erziehungswissenschaften sind keine weitverbreitete Kombination, mit der ich auf einen speziellen Beruf hin studiere. Ich wollte breit aufgestellt sein, aber hatte gleichzeitig Angst etwas ‚Brotloses’ zu studieren.
Was ich nach acht Semestern (und das werden nicht die letzten sein) schon sagen kann: Nicht meine Fächer allein haben mich dafür qualifiziert, ein individuelles berufliches Profil zu entwickeln, sondern es waren vor allem die überfachlichen Angebote und Möglichkeiten, die mir geholfen haben. Das Engagement in der Fachschaft, meine Hiwi-Jobs, die Hochschulgruppen, Workshops und Veranstaltungen haben meine Studienzeit spannend und abwechslungsreich gemacht. Gleichzeitig habe ich viele neue Fähigkeiten erlernt und alte erweitert, mir viel Wissen angeeignet, mich ausprobiert, Fehler gemacht und Interessen den Rücken gekehrt. Das sind die Sachen, die mir vor allem im Gedächtnis bleiben, wenn ich an meine Studienzeit zurückdenke.
Meine bisherige Studienbilanz? Die Vorstellung von meinem Studium, die ich als Erstsemester hatte, decken sich nicht eins zu eins mit der eingetretenen Realität. Ich bin anstelle von sechs Semestern immer noch nicht fertig, keine Einserkandidatin, wie ich es mir gewünscht hätte, oder kann nicht mehr alles auswendig vortragen, was ich fachlich gelernt habe. Ich kann aber sagen, dass ich unglaublich viel gelernt habe, auch viel über mich, eine tolle Studienzeit habe und nun viel besser weiß, was ich kann und was nicht. Aber vor allem habe ich keine Zweifel mehr und habe erste Ideen, in welche Richtung es später beruflich gehen könnte.
Meine persönliche Erkenntnis ist: Meistens erkennen wir gar nicht selbst, wie sehr wir uns im Laufe der Zeit weiterentwickelt und was wir alles schon erreicht haben. Relativ früh zu Beginn meines Studiums habe ich zwei Hiwi-Tätigkeiten begonnen, beim Kompetenzzentrum für Studium und Beruf (KSB) und in der Stabsstelle Universitätskommunikation. Durch ein Reflexionsgespräch mit meinen Chefinnen wurde mir bewusst, welch positive Entwicklung ich durchlaufen habe und wie ich mich in diesen drei Jahren durch meine vielfältigen Aufgabenbereiche und die Unterstützung meiner Arbeitgeber entfalten konnte. Mit dieser Entwicklung habe ich nicht gerechnet, aber bin sehr dankbar dafür.
Meistens läuft es halt nicht wie geplant, aber wäre das nicht auch schrecklich langweilig?