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Political Blockbusters: Wenn die Forschung über TV-Duelle so spannend wie der politische Schlagabtausch selbst wird

Politikprofessor Jürgen Maier. Foto: RPTU, Berend Barkela

Zwei Kandidaten, eine Bühne, Millionen Zuschauer. TV-Duelle, -Trielle oder in diesem Jahr erstmals auch -Quadrelle gehören zu den spannendsten Ereignissen eines Wahlkampfs. Hier treffen die Spitzenkandidaten direkt aufeinander und stellen sich den kritischen Fragen der Moderatoren. Ein einziger Augenblick kann darüber entscheiden, wie die Zuschauer und potenziellen Wähler den Kandidaten bewerten.

Aber was passiert in diesen hitzigen Debatten in den Köpfen der Zuschauer? Welche Argumente überzeugen wirklich? Welche Momente entscheiden über den Gesamteindruck? Und die vielleicht wichtigste Frage: Wie kommt die Urteilsbildung zustande? Jürgen Maier, Politikprofessor im Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften an der RPTU in Landau, beschäftigt sich schon seit mehr als 20 Jahren mit genau diesen Fragen.  2002 eröffnete sich dem jungen Wissenschaftler mit der ersten TV-Debatte zwischen Edmund Stoiber und Gerhard Schröder ein spannender Themenkomplex, der ihn bis heute fasziniert. Dabei reizt ihn besonders, die Trends zu analysieren, die die Forschung der vergangenen Jahre immer deutlicher sichtbar gemacht hat. Während des ersten TV-Duells hatte Jürgen Maier die Wirkung anhand einer Experimentaluntersuchung mit Teilnehmern und Teilnehmerinnen vor Ort an der Uni in Bamberg untersucht. Seitdem hat die Forschung zu den TV-Duellen eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Der jüngste technische Sprung erfolgte 2021. Gemeinsam mit Informatiker-Kollegen aus Kaiserslautern und mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) entwickelte Maier die App „real smart“. Diese App macht so einiges möglich - vor allem können die Zuschauer mithilfe der App schon während der Live-Übertragung des TV-Duells ihre Bewertungen und Reaktionen in Echtzeit festhalten – unabhängig davon, wo sie sich gerade befinden. 

Die App „real smart“ schafft also eine innovative Grundlage für die diesjährige Forschung. Der kurze Wahlkampf vor der Bundestagswahl 2025 bringt jedoch andere, neue Herausforderungen mit sich. Alles muss deutlich schneller gehen als geplant: „Das, was wir jetzt tun, war eigentlich für den September vorgesehen. Wir hätten normalerweise ganz in Ruhe die Studie ins Feld bringen können. Dazu kommt, dass inmitten aller auf die Schnelle vorgezogenen Vorbereitungen es eine Weihnachtspause gab, die Vorlesungszeit läuft, alle Gremiensitzungen im Gang sind. Und die Studie kommt on Top“, erklärt Maier. Es müssen in kürzester Zeit sechs TV-Duelle, also sechs Datenerhebungen ins Feld gebracht und ausgewertet werden. Mit der App können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor und nach der Sendung einen kurzen Fragebogen beantworten und während der Debatte live bewerten, welche Aussagen oder Kandidaten sie spontan überzeugen, oder welche Momente eher für Skepsis sorgen. Die so gewonnenen Daten sind für die Forschung enorm wertvoll – je mehr Menschen sich beteiligen, desto aussagekräftiger die Erkenntnisse. Deshalb kommt zu den ganzen Vorbereitungen bei Jürgen Maier noch dazu, mit Auftritten in TV, Interviews im Radio, Teilen der Info in den Social Media-Kanälen auch, an Live-Insta-Sendungen teilzunehmen. 

Nachdem die Daten erfasst sind, beginnt die wissenschaftliche Arbeit natürlich erst so richtig. Zunächst müssen die Echtzeitreaktionen der Zuschauer und Zuschauerinnen mit der inhaltlichen Analyse verknüpft werden. „Viele Puzzleteile aus den unterschiedlichen Abteilungen werden hier zusammengesetzt“, so Maier. An dieser Stelle kommen Jürgen Maiers studentische Hilfskräfte zum Einsatz. So auch Masterstudentin Paula Kromm. Akribisch codiert sie die TV-Duelle anhand bestimmter Variablen mithilfe des Statistikprogramms SPSS und muss sich dazu auf inhaltlicher Ebene mit den TV-Duellen auseinandersetzen: Wie oft unterbrechen sich die Kandidaten gegenseitig? Was steht im Fokus der Aussage? Diese und viele weitere Faktoren werden von ihr erfasst und kategorisiert. Was sich zunächst nach reiner Routinearbeit anhört, ist aber Grundlage für die Gewinnung spannender Ergebnisse. Ohne Paula würden Zuschauerreaktionen durch die App zwar in Echtzeit sichtbar gemacht. Doch erst die Kombination aus den Echtzeitreaktionen und dem inhaltlichen Ablauf der Debatten ermöglicht es dem Forschungsteam, genau nachzuvollziehen, welche Aussagen zu welchen emotionalen Reaktionen der Zuschauerinnen und Zuschauer geführt haben. So lassen sich dann Muster erkennen, die Aufschluss darüber geben, wie politische Botschaften im direkten Duell ankommen – und welche Aussagen vielleicht auch den entscheidenden Unterschied an der Wahlurne machen. 

„Die gewonnenen Erkenntnisse sollen möglichst schnell an die Außenwelt gelangen und so den Bürgerinnen und Bürgern und den Medien bereitgestellt werden“, unterstreicht Jürgen Maier. Daher wertet er direkt nach den TV-Sendungen die Angaben aus den Fragebogen aus und stellt sie umgehend danach auf der Projektseite für alle sichtbar zur Verfügung. Die Auswertung der Echtzeitbewertungen ist aufgrund des komplexen Datensatzes aufwändig und benötigt mehr Zeit.  Zusätzlich werden die Ergebnisse später in wissenschaftlichen Publikationen und auf internationalen Konferenzen vorgestellt.

Maier muss nun unter enormem Zeitdruck arbeiten und ist seinem Team sehr dankbar, welches begeistert hinter seinem Forschungsansatz steht und alles möglich macht. Eine verlässliche Stütze sind seine wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Jennifer Bast und Hannah Decker als auch die Informatikkollegen, die die App schnellstmöglich auf den neuesten Stand gebracht haben. „Die TV-Duelle sind das wohl wichtigste Einzelereignis während des Wahlkampfes. Es gibt keine Talkshow und kein vergleichbares Format, das auch nur in die Nähe der Reichweite und Aufmerksamkeit kommt, die so eine Debatte generiert“ bekräftigt Maier. Die Experimente bieten eine einzigartige Möglichkeit, sich auf besondere Art und Weise mit Politik auseinanderzusetzen und Teil eines spannenden Forschungsprojektes zu sein. Übrigens: Die Suche nach weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer läuft nach wie vor! Das Beste daran: Jeder und jede kann mitmachen. 

Wer Lust hat, beim Schauen der TV-Duelle gleichzeitig einen Beitrag zur Forschung zu leisten, kann das ganz einfach tun: App im App-Store oder über die Projektseite downloaden, dort auch die Sendetermine erfahren und mitmachen. 

Politikprofessor Jürgen Maier. Foto: RPTU, Berend Barkela